Erstellt mit MAGIX
Reisebericht
13. Juni - 4. Juli 1998
Kilometer um Kilometer...
Na, das fing ja gut an. Die Nacht vor der Abreise nach Norwegen hatte es pausenlos geregnet. Kurz nach 5 Uhr morgens fuhren wir
mit unserem Wohnmobil über Berlin nach Rostock. Hinter Dresden wurde es wettermäßig immer besser, die Sonne schien, es war
windig bei 14 °C. Wir waren bekleidungsmäßig jedoch auf das Wetter, das für den Norden üblich ist, eingestellt. Gegen halb 11 Uhr
waren wir in Warnmünde - aber die Überseefähren fahren schon seit Ewigkeiten nicht mehr von hier ab... So ist das mit guten
Ratschlägen... Also die ganze Strecke nach Rostock zurück und auf der Autobahn zum Überseehafen, wo wir kurz vor 12 Uhr
ankamen. Da ich noch nicht wußte, ob wir aufgrund meines Urlaubes überhaupt nach Norwegen fahren könnten, hatten wir keine
Fähre nach Trelleborg reserviert. Bei "Scandlines/Hansa Feries" fragten wir nach - und erhielten sogar für 15.15 Uhr einen Platz. Die
Rückfahrt reservierten wir gleich mit, da dann Saison ist und die Fähren bekanntlich sehr voll sind.
Mit einer halben Stunde Verspätung legte die schwedische Fähre "Götaland" in Richtung Schweden ab. Für die 152 km benötigte sie 6
Stunden. Kurz vor 21 Uhr hatten wir es geschafft. Da sich Bertram auf der Fähre vom Fahren erholen konnte, beschloß er, gleich noch
ein Stück zurückzulegen; es war auch noch nicht dunkel. Bis kurz vor Ljungby fuhren wir auf der E4; einer Straße mit breiten
Seitenstreifen, die sich zum Überholen eignen. Dabei zeigt man an, daß man überholen möchte, und der vordere weicht halb auf den
Seitenstreifen aus. Mitunter benötigt man beim Überholen nicht einmal die Gegenfahrbahn. Gegen 23.30 Uhr, es war nun schon
dunkel, übernachteten wir auf einem Autobahnrastplatz. Wir haben bis hierher 696 km zurückgelegt. Am Horizont nach Norden war ein
schmaler Lichtstreifen zu sehen: das Licht der Sonne. Noch 10 Breitengrade, aber viele Kilometer, bis zum Polarkreis.
Am nächsten Morgen war es herrlich sonnig, fast wolkenlos, aber nur 4 °C Außentemperatur. Allerdings nur bei unserer Abfahrt in
Richtung Stockholm um 5.40 Uhr. Wir hatten 1.343 km vor uns, bis wir unser Tagesziel, Piteå, gegen 23.30 Uhr erreichten. Wir
schafften eine solch große Strecke nur, weil wir beide gefahren sind. Die meiste Strecke war sowieso Autobahn. Da konnte ich mich
auf dem VW-Bus, auf dem ich noch nie gefahren bin, einfahren. Es war gar nicht so leicht, aber es macht Spaß, wenn man das Auto
beherrscht; allerdings sind Stadtfahrten tabu, da ich noch nicht so gut bin. Das Wetter war durchweg wolkenlos und die Temperatur
stieg bis auf 20 °C. Das russische Hoch läßt grüßen. In Piteå hatten wir zwar noch keine Mitternachtssonne, aber es war so hell wie
bei uns an einem Sommermorgen gegen 8 Uhr. Wir waren noch nicht müde. Man sagt, wenn es 24 Stunden am Tag hell ist, braucht
man nicht so viel Schlaf. Aber man kann schlafen, trotz Helligkeit!
Schon gegen 7.30 Uhr ging es weiter. Es war leicht bewölkt, sonnig und 10 °C; später um 18 °C. Am Vormittag passierten wir bei
Haparanda die Grenze zu Finnland. Da hier die Uhren eine Stunde vorgehen, war es bereits 10 Uhr (9 Uhr MESZ). Den Polarkreis
erreichten wir gegen Mittag in der Hauptstadt Lapplands, Rovaniemi. Hier legten wir unsere Mittagspause ein. Es war viel Rummel.
Auch der Polarkreis, als weißer Strich gemalt, wird touristisch vermarktet. Überall dudelte Weihnachtsmusik aus den Lautsprechern.
Hier befindet sich nämlich das Weihnachtsmanndorf "Ioulupkin Pajakylä", wo man im Sommer schon die Karten schreiben kann, die
pünktlich am Weihnachtstag zu Hause eintreffen sollen. Eine Tafel verrät: Kinder aus aller Welt geben hier ihre Wünsche an den
Weihnachtsmann ab. Lappland wurde schon 1972 per Parlamentsbeschluß zum Weihnachtsmannland erklärt.
Nach einem kurzen Päuschen zum Schlafen setzten wir unsere Fahrt in Richtung Inarisee (Inarijärvi) fort. Wir konnten die ersten
Rentiere beobachten, die öfter die Straße querten, sahen die Tundra, wie wir sie bisher nur aus dem Erdkundeunterricht kennen, und
... Schnee. Der Winter ist erst seit wenigen Wochen vorbei. Gegen 21 Uhr unternahmen wir eine kleine Wanderung auf einen
Aussichtspunkt über den größten finnischen See. Der Weg war nur 1 km lang, aber mit ständiger 20 %iger Steigung. Das schaffte uns
ganz schön. Aber der Ausblick auf den Inarisee mit seinen vielen Inseln war einmalig. Und die Sonne stand noch hoch am Himmel!
Bei Kaamanen entschlossen wir uns, die landschaftlich schöne Straße 971 am Inarisee entlang in Richtung Norwegen zu fahren.
Diese Straße war bis vor zwei Jahren noch Schotterpiste. Nach 686 gefahrenen Kilometern übernachteten wir am See auf einem
kleinen Parkplatz. Um halb 1 Uhr morgens hatten wir noch herrlichsten Sonnenschein. Hier bleibt die Sonne 2 - 3 ° über dem Horizont
stehen. Es war ein schönes Gefühl, da wir ja die Mitternachtssonne noch nicht kannten. Es war so hell wie bei uns ein paar Stunden
vor Sonnenuntergang.
Die Strecke war wirklich sehr schön, rechts und links von der Straße immer wieder Mini-Seen, so daß man gar nicht wußte, ob man
sich nun auf einer Insel oder dem Festland befindet. Bei stark bewölktem Himmel, nur 12 °C und sehr kaltem Wind passierten wir ca.
11 Uhr MESZ am nächsten Tag die Grenze zum Nicht-EU-Staat Norwegen - ohne Kontrolle.
Die Finnmark
Neiden war der erste Ort, den wir erreichten. Er liegt an der Europastraße E6, die von Oslo bis Kirkenes reicht. Hier gibt es die St.
Georgskapell, eine griechisch-orthodoxe Kapelle aus der 2. Hälfte des 16. Jh. Sie ist nur 3,5 x 3,25 m groß und 2,05 m hoch, das
älteste Gebäude in Finnmark und soll von dem Hl. Trifon erbaut worden sein. Leider konnten wir die Kapelle nicht besichtigen, denn
die Norweger wollen dafür Geld sehen. Ein Mann fragte uns, ob wir sie ansehen wollen. Auf unser "Ja." sagte er, es würde 10
Norwegische Kronen (NOK) kosten. Wir antworteten, daß wir gerade erst aus Finnland kämen und gar kein norwegisches Geld hätten.
Ein Achselzucken und "Dann tut es mir leid." - und weg war er. Hier wußten wir noch nicht, daß fast alle Kirchen, an denen wir
vorbeikamen, entweder geschlossen oder nur gegen einen Obolus zu besichtigen waren. Dafür sahen wir danach die Neidener
Stabkirche wenigstens von außen. Stabkirchen sind immer ausschließlich aus Holz und stammen aus dem 11. - 16. Jh. Die Stabkirche
ist an einem stav oder bis zu 20 staver, senkrecht stehenden Masten (Stäben, Ständern), aufgehängt. Die meisten dieser Kirchen
findet man in Südnorwegen.
Bei Tana Bru bogen wir von der E6 ab, um die
Varanger-Halbinsel (Varangerhalvøya)
zu erkunden. Auf der Straße 890 fuhren wir in Richtung Norden. Am Schwemmsanddelta der Tana legten wir bei Høyholmen eine
Mittagspause ein. Hier wehte der Wind so stark, daß ich das Stativ zum Filmen kaum gerade halten konnte. Auf der Weiterfahrt auf der
zwischen November und Mai gesperrten Straße kamen wir immer höher und durch tiefsten Winter - teilweise lag der Schnee neben
der Straße bis zu 2 Meter hoch - und es herrschte ein eisiger Nordwind. Die Landschaft erinnerte bald an die innerisländische
Geröllwüste: hoher Norden pur. Ganz selten ein Auto, dann und wann halbwilde Rentiere, kein Mensch. Das Wetter war eigentlich so,
wie man sich den Norden vorstellt; trotz Mitternachtssonne läßt sich die Sonne tagsüber nicht sehen. Eine 28 km lange Feldstraße
führte uns in das Samendorf Nordfjord. Hier beschlossen wir (nach 356 km) zu übernachten. Nun begann es auch noch zu regnen.
Na, wir waren zwar auf solches Wetter eingestellt, aber es konnte nur noch besser werden.
Die ganze Nacht regnete es. Auch am nächsten Morgen, bei 4 °C, als wir gegen 6.15 Uhr weiterfuhren; dazu Sturm mit eisigem Wind.
Wenn es den Golfstrom nicht gäbe, wäre Nord-Europa ein zweites Grönland. Zunächst fuhren wir die 28 km wieder zurück und dann
noch zwei bis Båtsfjord. Wir hielten uns bei dem ungemütlichen Wetter nicht lange auf, sondern legten 33 km bis zur Wegkreuzung
und dann noch einmal 60 km bis zu dem nördlichsten Ort der Halbinsel selbst, Berlevåg, zurück. Früher mußten bei Nordsturm die
Hurtigruten oft vorbeifahren. Heute wird der Ort durch Tausende von Tetrapoden geschützt, die den starken Wellengang abhalten. Wir
sahen die Bucht von Sandfjorden und den Leuchtturm von Kjølnes. Auch hier verweilten wir aufgrund des eisigen Windes nicht sehr
lange. Bis Tana Bru zurück waren es 135 km. Dabei wehte ein orkanartiger Sturm aus Ost, der sogar Bertram bei einem Stop fast
weggeweht hätte. Dann führte uns die E6 auf der anderen Seite des Tanafjorden bis Ifjord weiter. Nächstes Ziel war die
Nordkinn-Halbinsel (Nordkinnhalvøya).
Auch hier gab es nur eine einzige Straße - von Dezember bis Mai gesperrt -, die wir rauf und am nächsten Tag auch wieder runter
mußten. Wir fuhren durch Sturm und Regen - und Schnee. Weite Flächen waren weiß. An manchen Stellen standen die Motorschlitten
(Skooter), einziges Fortbewegungsmittel im langen Winter. Gäbe es nicht die 300 m breite Landverbindung zwischen Eidsfjord und
Hopsfjord, wäre das Nordkinn eine Insel.
Und so wurde aus der Insel Nordkinn irgendwann eine Halbinsel. Wir übernachteten nach 485 km bei Slettnes. Hier steht der
nördlichste Festlandsleuchtturm der Welt.
Das Thermometer zeigte 2 °C, als wir um 6.15 Uhr am nächsten Morgen aufbrachen. Wenn das Wetter es zugelassen hätte, könnten
wir eine Fußtour zum nördlichsten Festlandspunkt Europas (71° 8,1') machen. Aber bei Matsch durch's Moor, das ist wohl nichts. Auf
der Rückfahrt nach Ifjord hatten wir sowohl Sturm und Nieselregen als auch Schnee. Nicht nur auf den Feldern. Ja, es schneite. Und
das auf einer Höhe von weniger als 300 m. Während wir uns vorsichtig auf der glatten Straße bewegten, kamen die Einheimischen an
uns vorbeigebrettert. Unter anderem auch der Nordnorwegenbus, eine Art Übersee-ROTEL, halb Bus, halb Gepäckabteil, nur in Gelb
mit roten Streifen.
Und dann passierte es: durch die Schlaglochpiste fuhren wir uns den rechten hinteren Reifen kaputt. Und keiner der angeblich so
freundlichen Norweger hielt an, um uns zu helfen.
Wieder auf dem Festland ignorierten wir den Abzweig zum Nordkap, weil man erstens 150 km hin und wieder zurückfahren, zweitens
150 NOK Aufenthaltsgebühr pro Person zahlen mußte, drittens dort zuviel Touristenrummel herrscht und viertens man die
Mitternachtssonne - falls sie scheint - auch anderswo herrlich beobachten kann. Außerdem ist das vielgerühmte Nordkap mit 71° 10'
21" nicht einmal der nördlichste Punkt. Der liegt bei 71°11'08" auf derselben Insel ein paar Kilometer westlicher und heißt
Knivskjellodden, ist aber nur zu Fuß zu erreichen und touristisch nicht so attraktiv. Aufgrund des schlechten Wetters hat sich die
Mitternachtssonne sicherlich sowieso hinter bestimmt kilometerdicken Wolken versteckt.
Selbst die seit 1789 nördlichste Stadt der Welt, Hammerfest (liegt etwa auf der gleichen Höhe wie die Nordküste Alaskas), erlebten wir
bei strömendem Regen. Hier wurde 1816-52 von norwegischen, schwedischen und russischen Geodäten die erste exakte Vermessung
der Erde durchgeführt und bei dieser Gelegenheit auch Größe und Form der Erde erstmals genau bestimmt. Zur Erinnerung daran
wurde die Meridiansäule aufgestellt. Bei einer Nachvermessung mit Satellit stellte man vor einigen Jahren fest, daß sich die
Landvermesser im vorigen Jahrhundert um einige Meter geirrt hatten. Deshalb ist das ursprüngliche Fundament ein paar Meter von
dem jetzigen Aufstellungsort entfernt zu sehen. Bald verließen wir die Insel Kvaløy, auf der Hammerfest liegt, und begaben uns in
Richtung Alta. Kurz vor der Stadt übernachteten wir auf dem Campingplatz "Solvanger", da ich mal Haare waschen und duschen
wollte. Es regnete immer noch und auch nachts hörte es nicht auf. 550 km hatten wir bis dahin zurückgelegt.
Auch am nächsten Morgen regnete es weiter. Gegen 8 Uhr verließen wir den Campingplatz bei 5 °C. Alta ist mit fast 15.000
Einwohnern größter Ort Finnmarks. Hier hat man Funde der ältesten norwegischen Kultur gemacht; es haben hier also schon vor
10.000 Jahren Menschen gewohnt. Wir besuchten das Museum bis etwa 11 Uhr. 1973 wurden an dieser Stelle 3.000 Felszeichnungen
des Helleristningsfelt Hjemmeluft entdeckt. Es ist das größte Feld Nordeuropas und seit 1985 in die "World Heritage List" der
Weltkulturgüter der UNESCO aufgenommen. Man schätzt die Zeichnungen auf 2.600 bis 6.200 Jahre: Alltagsszenen und rituelle
Handlungen, Tanz- und Jagdszenen, Fruchtbarkeitssymbole.
Archäologen haben die nur millimetertiefen Linien farbig nachgezogen. Das Feld ist auch bei Regen über einen 1,6 km langen
Rundweg auf Holzstegen zu begehen; ein Glück, denn der Regen hörte erst im Laufe des Vormittags auf.
Kilometer um Kilometer... / Die
Finnmark
Troms
Nordland
Nordland (Lofoten)
Trøndelag (Nord- und Süd)
Østland (Hedmark)/Auf
Wiedersehen...