Erstellt mit MAGIX
Lorem ipsum
Lofoten
nach Fiskebøl auf der Lofoten-Insel Austvågøya, wo wir 25 min später ankamen. Es war mittlerweile nach 18 Uhr. Auf den Lofoten gibt
es eigentlich nur eine größere Straße von Ost nach West, die Europastraße E10 oder "Kong Olavs Vei". Anfänglich bestand die
Lofotenstraße auf ganzer Länge nur aus Schotter und Ölkies, einspurig fast überall. Und zwischen den Inseln gab es lange Zeit noch
Fähren. Nur an wenigen Stellen hat man die Möglichkeit, eine andere als die Hauptstrecke zu nehmen. Auf Austvågøya war das
möglich. An der Nordseite der Insel fanden wir nach 127 Fahrkilometern ein Plätzchen zum Übernachten an der Schotterstraße, wo nur
wenige Urlauber entlangkamen, die zum Campingplatz wollten. Noch vor dem Abendbrot, das heute unser Mittag war, unternahmen wir
einen "Strand"spaziergang, wie wir meinten. Der Strand war aber Watt, denn es war gerade Ebbe. Wir fanden herrliche Muscheln und
sogar eine sich im Tang versteckende Strandkrabbe.
Als später die Flut kam, sah Bertram irgendwann einen schwarzen, runden Gegenstand im Wasser des Fjordes. Er holte das Fernglas
und erkannte einen Seehund. Aber bevor wir den Fotoapparat und die Videokamera in den Händen hatten, ortete uns der Seehund -
und tauchte ab und ließ sich nicht mehr blicken. Die Norweger schießen nämlich auf alles, was die Fische wegfressen könnte. Wir
mußten oft beobachten, daß, sobald wir das Auto zum Stehen brachten, die Tiere reißaus nahmen. Ab und zu konnten wir sie überlisten
und ließen einfach den Motor laufen, während wir sie fotografierten und filmten. Es war interessant, die Flut zu beobachten, wie das
Wasser Stück für Stück unserer Fußtapsen umspülte und verschluckte. Dazu die herrliche Mitternachtssonne...
Der nächste Morgen begann bei 9 °C (weil wir nachts im Schatten standen), aber sonnig und wolkenlos. Wir setzten unsere Reise auf
der Nordseite der Insel fort. Am Mortfjorden fanden wir ein halb verrottetes Boot. Man sagt, die Norweger seien in vielen Dingen von
einem Gleichmut, der anderen europäischen Völkern schwer verständlich ist. Und dann war es soweit - wir sahen unseren ersten Elch.
Er war allein und trabte gemütlich in gebührender Entfernung an uns vorbei. Damit er nicht aufschreckt und fluchtartig verschwindet,
blieben wir im Auto und ließen den Motor laufen. Aber ein Stück Film und mehrere Fotos gönnte er uns. In Bergnähe wurde es wolkiger,
in Richtung Vestfjorden, der südlichen Begrenzung der Lofoten, wieder schöner.
Nächstes Ziel war Svolvær. Die 5.000 Einwohner leben noch immer vorwiegend von Fischfang und Fischverarbeitung. Seit der Steinzeit
wird auf den Lofoten Tiefwasserfischerei betrieben, vor 6.000 Jahren mit Angelschnüren aus Brennesselfasern, heute mit modernem
Fanggeschirr. Von einer 800 m hohen Bergkette umgeben, auf mehrere Inseln und Halbinseln verteilt, die erst in den 30er Jahren mit
Brücken verbunden wurden, erinnern höchstens die Dörrfisch-Trockengestelle an gute, alte Zeiten.
Von Kabelvåg aus führt eine kleine Straße, die wir später wieder zurückfahren mußten, nach Storvågan. Hier lag einst das Zentrum der
Lofotfischerei mit einem bedeutenden Hafen. Im Jahre 1811 entstand hier das erste Gasthaus der Lofoten, um das herum sich
Handwerker und Fischer niederließen. Im Wohnhaus des einstigen Wirtes ist das Lofot-Museum untergebracht. Die ca. 5.000
Ausstellungsstücke vermitteln einen Überblick über die Geschichte der Lofoten-Fischerei. In Schuppen, Arbeitsgebäuden, Bootshäusern
(hier steht das traditionelle nordnorwegische Boot in drei verschiedenen Größen) und Rorbuer bekamen wir einen Eindruck vom Leben
der Fischer in vergangenen Tagen. Von den einst über 100 Fischerhütten blieb nur ein Rorbuer erhalten; er zeigt die karge Unterkunft
der meist in totaler wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Handelsherrn lebenden Fischer. Aber wir waren ein wenig enttäuscht. Die
Beschriftungen in dem Museum waren hauptsächlich in der "Weltsprache" Norwegisch und - wenn überhaupt - zusammenfassende und
sehr spärliche Informationen in Englisch. Noch heute ist die Form des alten Hafens für jeden erkennbar. Direkt am Hafen befindet sich
seit 1989 das Lofot-Aquarium in einem modernen, größtenteils verglasten Gebäude. In zahlreichen Becken verschiedener Größe wird
die ganze Wasserfauna der Lofoten gezeigt. Der meiste Platz ist den Meeresfischen vorbehalten, aber auch Süßwasserfische aus den
Binnenseen der Inseln sind vertreten.
Wieder zurück in Kabelvåg suchten wir den legendären Trollstein. Wir vermuteten ihn in der mit 1.200 Plätzen größten Holzkirche
Norwegens, auch Lofotkathedrale genannt. Hier sollten wir 20 NOK Eintritt zahlen. Dazu kam eine Touristengruppe nach der anderen.
Das taten wir uns dann doch nicht an. Und siehe da, der berühmte Stein mit einem normannischen Kreuz stand seitlich der Kirche, gab
aber nicht viel her.
Schon bald setzten wir unsere Reise an die Südspitze von Austvågøya, nach Henningsvær fort.
Das Wetter war herrlich und wir erhielten die Gelegenheit, bei der Tørrfisk-"Ernte" zuzuschauen. Jedes Jahr kommen Abermillionen von
Dorschen (Kabeljau) in den Vestfjord und dienen den Fischern als Lebensgrundlage. Wenn er nach dem Fang nicht direkt auf
russischen Fabrikschiffen zu Filets und Seife wird, verarbeitet man ihn u. a. auf den Lofoten zu Trockenfisch (Tørrfisk oder Dörrfisch).
Ausgenommen, geköpft und paarweise zusammengebunden hängen die Fische an riesigen Trockengestellen aus Holz, entweder in
Spitzdach-Form oder neuerdings in Flachdach-Form. Wenn der Fisch dann durch den Nord-wind knochentrocken und durch die salzige
Luft konserviert ist, kommen die LKW und die Erntehelfer. Der LKW fährt unter das Dach, die Männer stehen auf dem Gestell,
schneiden den Fisch ab und werfen ihn auf die Ladefläche. Das hört sich an wie gehackte Holzscheite. Die Köpfe werden, nachdem
man die Zunge herausgeschnitten hat, zu Fischmehl verarbeitet. Wir ließen das Auto auf dem Parkplatz stehen und gingen zu Fuß
durch das hübsche 600-Seelen-Dorf.
Am späten Abend verließen wir die erste Lofoten-Insel über eine Hochbrücke und erreichten die Insel Gimsøya. Auf der 45 km² großen
Insel leben weniger als 300 Menschen in sechs Ansiedlungen. Die Gimsøy-Kirche ist für die Touristen eine Attraktion. Die kleine
Holzkirche steht direkt am Meer und ist Sturm und Wetter ausgesetzt. Nachdem sie schon mehrmals unter den schweren Stürmen
zusammen-gebrochen oder weggeweht ist, hat man sie mit starken Drahtseilen davor geschützt. Der Friedhof muß sehr alt sein, denn
hier gab es viele verrostete Eisenkreuze und eiserne Grabplatten. Ein Austernfischerweibchen war durch unsere Anwesenheit furchtbar
aufgeregt und machte einen fürchterlichen Lärm. Sie hatte offenbar in der Nähe ihr Gelege. Mein aufmerksamer Biologe entdeckte das
Nest, indem er fast dar-über stolperte. Was ist der Austernfischer so blöd und legt seine Eier mitten auf den Hauptweg zur Kirche...
Auf der kleinen Insel war es gar nicht so einfach, einen geeigneten Übernachtungsplatz zu finden. Alle trockenen Gebiete waren dicht
besiedelt und im Moor sackt man leicht ein. Nach langem Suchen fanden wir einen festen Standort am Moor, kein Haus weit und breit!
Nach 127 Fahrtkilometern wurden wir wieder mit einem herrlichen Blick auf die Mitternachtssonne belohnt.
Schon um 8.30 Uhr morgens bei sonnigem Wetter, ca. 20 °C und fast wolkenlosem Himmel brachen wir auf. Eine kleine Hochbrücke
brachte uns auf die dritte Lofoten-Insel, nach Vestvågøy. Die Insel ist 422 km² groß und mit 11.000 Bewohnern die bevölkerungsreichste
Gemeinde der Lofoten. Wir wählten die südliche Route über die Insel auf der Straße 815, um von der viel befahrenen Europastraße E10
fernzubleiben. Wenn wir die Wahl hatten, suchten wir uns immer solche Wege oder Straßen, auf denen wir nicht 20 km hin und später
wieder zurückfahren mußten. Zunächst bahnten wir uns den Weg durch zwei Ziegenherden, die die Straße zu ihrem Revier auserkoren
hatten. Dabei hatten wir viel Spaß. Die jungen Ziegen wußten nämlich nicht wohin. Vielleicht machte ihnen auch der große weiße Bus
Angst.
An der ersten Halbinsel von Vestvågøy bogen wir auf die Straße 817 ab, die nach Stamsund führte. Hier legen jeden Abend die
Postschiffe der Hurtigrute an. Der Ort entstand um 1900, als die Fläche aus dem Fels gesprengt wurde, auf der Hafen und Häuser
gebaut werden konnten. Der führende Fischerort der Westlofoten wirkt im Gegensatz zu anderen Häfen geradezu steinern. Selbst der
1,5 km lange Kai ist aus eigens behauenen Natursteinen gebaut.
Auf einer kleinen Straße gelangten wir zurück zur Straße 815 und zur nächsten Halbinsel. Am Ende der Rundfahrt über diese Halbinsel
gelangten wir bei Fygle zur Insel Hol. Die hölzerne Kreuzkirche von Hol ist eine der ältesten erhaltenen Lofotenkirchen. Sie stammt aus
dem 14. Jh., wurde aber 1806 restauriert. Laut Reiseführer sollte es hier einen uralten Wikingerfriedhof mit 10 bis 15 m hohen
Grabhügeln geben, der ursprünglich auf einer Insel lag. Der Weg war nicht leicht zu finden. Irgendwo im Grünen mußten wir das Auto
stehen lassen und zu Fuß weitergehen. Das Gelände wurde unwegsam und moorig. Dann trafen wir auf die "richtige" Insel. Im Laufe
von 600 Jahren hat sich das Land um 1,70 m gehoben. Somit war die Insel nur noch bei Flut eine Insel. Und dort trafen wir sie dann, die
Stelen und Steinplatten, die die Wikingergräber verrieten.
Ballstad, am Ende der Straße 818 auf der dritten Halbinsel, ist ein alter Fischerhafen mit langer Tradition. Alles in der Stadt gehört einer
Familie. Beeindruckend ist das riesige Landschaftsgemälde, das die ganze Außenwand der großen Werft einnimmt. Es sei wohl das
größte Bild der Welt.
Im Hauptort von Vestvågøy, Leknes, machten wir einen Abstecher zum Leknes Lofoten Hotell. Das schöne neue Hotel ganz aus gelb
gestrichenem Holz ist ein Haus mit Geschichte. Es hat während der Winterolympiade 1994 in Lillehammer gestanden, wurde dann
demontiert und in Leknes wieder aufgebaut.
Um von Vestvågøy nach Flakstadøy, der vierten Lofoten-Insel, zu kommen, muß man durch den einzigen 1.780 m langen Tunnel, den
Nappstraumtunnel, fahren. Es war ein teures (Maut: 65 NOK), aber angenehmes Erlebnis.
Auf Flakstadøy, mit 180 km² und ca. 1.600 Einwohnern die drittgrößte der Lofotengemeinden, gibt es kaum eine Ausweichmöglichkeit
von der E10. Nur zwei Sackgassenstraßen, um die Insel ein bißchen kennenzulernen. Die Gemeinde lebt vom Fischfang und etwas
Landwirtschaft, der Tourismus steckt noch in den Kinderschuhen und die Gemeinde ist arm, hat kaum ein Gewerbe. Wahrscheinlich ist
das der Grund, weshalb hier und auch auf Moskenesøy das Jedermannsrecht sehr eingeschränkt ist. Hier zwingt man die wenigen
Touristen regelrecht dazu, einen geldbringenden Campingplatz aufzusuchen. An allen Parkplätzen stehen Schilder mit der Aufschrift:
"Das ist ein Parkplatz. Nach einem kurzen Aufenthalt wünschen wir Ihnen eine gute Weiterfahrt."
Eine der beiden Straßen führte uns nach Nusfjord, einem malerischen Ort zwischen spitzen Felsen. Der historische, an einen winzigen
Fjord gekuschelte Fischerort hat sich, als Weltkulturgut seit 1975 unter UNESCO-Denkmalschutz stehend, das Flair eines
Lofotenhafens der Jahrhundertwende bewahrt. Die beiden weißen Herrenhäuser und auch die kleinen hufeisenförmig um den Hafen
gebauten seit 900 Jahren üblichen Robuer, hölzerne und auf Pfählen stehende Fischerhütten, in denen heute Touristen wohnen, sind
noch erhalten. Hier gibt es eine Dreizehenmöwen-Kolonie. Die Tiere machten einen fürchterlichen Krach. In Nusfjord existiert noch ein
Kaufmannsladen aus der Zeit der Jahrhundertwende in seiner alten Form. Der Laden erinnert an die Zeit unserer Großeltern, zumal der
Laden gleichzeitig Posthalterei und medisinutsalg war: Arzneimittelhandlung (Jodtinktur, Pflaster und Hustentropfen). Heute ist er
Lebensmittelladen, Souvenirshop und Apotheke in einem.
Wieder auf der E10 kamen wir an der Flakstad Kirke vorbei, um 1780 aus dem russischen Holz gebaut, mit dem ein Frachtsegler im 18.
Jh. an der Küste strandete. Am meisten soll das Innere der kleinen Kreuzkirche beeindrucken, gefügt aus axtbehauenen schweren
Blockbohlen, die von außen zum Schutz gegen die Witterung mit knallrot gestrichenen Brettern verkleidet sind. Leider war auch diese
Kirche verschlossen. Die schöne Kirche steht im grünen Bauernland, das aus dem Meer emporgestiegen ist - befreit vom Druck der
Eismassen wuchsen die Inseln seit 15.000 Jahren um 20 bis 150 m aus der See. Kein sicherer Baugrund. Schon zweimal mußte das
abgesackte Bauwerk der Kirche auseinandergenommen und auf neuem Fundament wieder aufgerichtet werden.
Die zweite Straße, hauptsächlich ein Schotterweg, führte uns nach Nesland, ein Doppelort, von dem A(ust) Nesland noch oder wieder
bewohnt ist. Von hier aus führt ein zweistündiger Fußweg über die Berge nach Nusfjord. Per Fahrzeug muß man von einem zum
anderen Ort so fahren wie wir. Der Ortsteil V(est) Nesland ist der eigentliche ursprüngliche Fischerort. Er wurde jedoch von den
Fischern wegen der geringen Wassertiefe aufgegeben. Der Ort atmet mit seinen alten Gebäuden und dem kleinen natürlichen
Hafenbecken noch immer den Hauch vergangener Tag und sieht so aus, als würden dort immer noch Leute wohnen. Wenn nur das
Gras nicht so hoch wäre... Zwei Häuser sind seit kurzem scheinbar wieder bewohnt: Gardinen an den Fenstern, der Rasen gemäht...
Zwei lange hintereinanderliegende Hochbrücken verbinden Flakstadøy mit Moskenesøy, der vierten Lofoten-Insel, 117 km² groß. Hier
führte uns unsere Reise an den ruhigen Selfjorden, wo mehrere Seeadlerpaare horsten sollen. Leider hatten wir kein Glück welche zu
sehen. Wir hatten eigentlich vor, an diesem Fjord zu übernachten. Aber in der Nähe von "land's end" standen mehrere Häuser, so daß
wir dort das Jedermannsrecht nicht in Anspruch nehmen konnten. Wir fanden auf dem Rückweg in Richtung Europastraße ein Plätzchen
am Rande der Schotterstraße, weitab von jeglichen Häusern. Nur ab und zu kam mal ein Auto vorbeigefahren. Wir hatten gegen 18.30
Uhr 185 km zurückgelegt. Es war fast wolkenlos, dazu 25 °C. Ein Berg nahm uns den ungetrübten Blick auf die Mitternachtssonne, aber
es blieb ja hell.
Schon um 6 Uhr morgens brachen wir bei strahlendem Sonnenschein und 16 °C auf. Irgendwann wollten wir ein WC aufsuchen, da uns
ein dringendes Bedürfnis dazu zwang. Wir fanden auch einen Parkplatz mit WC. Aber - abgesehen von dem bereits erwähnten Schild -
hing vor jeder Tür ein riesiges Schloß. Wahrscheinlich, damit man nachts hier nicht campt, sondern auf einen Campingplatz ausweicht.
Jetzt zeigte die Uhr aber bereits 8.30 Uhr! Nun, wir haben ja schon des öfteren erlebt, daß in Norwegen vor 10 Uhr kaum ein Norweger
zu Arbeiten beginnt. Also nutzten wir die Natur für unser Bedürfnis.
Seit wir den Selfjorden verlassen hatten, fuhren wir wieder auf der E10 - eine andere Strecke gab es nicht. Bei Hamnøya, einer kleinen
Insel auf der Strecke, die durch Hochbrücken mit der Hauptinsel verbunden ist, gibt es eine Dreizehenmöwen-Brutkolonie. Als die
Europastraße gebaut wurde, blieb keine Wahl, die Straße mußte durch den Möwenfelsen gesprengt werden. Die Möwen kamen wieder -
und heute kann man nirgends diese Möwenart so nahe zu sehen bekommen und sie sogar aus dem Auto heraus fotografieren.
In Å, dem Ort mit dem kürzesten Ortsnamen der Welt - so meinen es jedenfalls die Einwohner, obwohl es in Norwegen zwei weitere
Dörfer mit gleichem Namen gibt - endet die E10. Die beiden letzten Lofoten-Inseln Værøy und Røst kann man nur mit dem Schiff
erreichen. Aber die Zeit hatten wir nicht. Der ganze Ort Å ist ein einziges Museum, er wird auch das "Museumsdorf" genannt. Viele
Gebäude, die das Museum bilden, sind über das ganze Dorf verstreut und stehen noch an der Stelle, wo sie einst benutzt wurden:
Bootshäuser, Schmiede, Trankocherei, Bäckerei und Rorbuer. So bekommt man einen guten Eindruck, wie es früher in einem fiskevær
zugegangen ist. Leider stimmten die Öffnungszeiten überhaupt nicht mit den 1998er Touristeninformationen überein. Nach knapp 2
Stunden des Wartens erfuhren wir, daß das Museum statt um 10 Uhr erst um 11 Uhr öffnet. Und das Stockfischmuseum scheint es
überhaupt nicht mehr zu geben. Nirgendwo ein Hinweisschild auf einen Eingang. Aufgrund unserer Enttäuschung beschlossen wir, uns
nicht lange hier aufzuhalten. Zumal auch langsam dicke Wolken auf- und immer mehr Touristen ankamen.
Auf der E10 mußten wir bis Moskenes zurück. Von hier aus sollte um 13 Uhr eine Fähre nach Bodø über den an dieser Stelle 100 km
breiten Vestfjorden zum Festland fahren. Das hieß für uns noch einmal 2 Stunden Wartezeit, war aber nicht zu ändern. Trotzdem waren
wir nicht die ersten an der Fähre, sondern befanden uns eher im hinteren Drittel der Wartenden. Kein Wunder, so selten wie die Fähre
fährt. Wir nutzten die Zeit zum Mittagessen und hatten uns gut mit den vor uns wartenden Franzosen verstanden. Das ältere Ehepaar
fuhr einen VW-Bus mit Faltdach und war schon das vierte Mal auf den Lofoten; doch noch nie war das Wetter so extrem schön wie in
diesem Jahr. Tja, wenn Engel reisen... Als es dann endlich soweit war, mußten wir noch bangen, überhaupt auf der Fähre
mitzukommen. Doch es war erstaunlich, wie da rangiert und gestopft wurde. Die Fährenmitarbeiter zeigten all ihr Können, um so viele
Autos wie möglich mitzunehmen. Wir dachten schon, das war es gewesen, als wir 5 Meter vor dem Bauch der Fähre zurückgewunken
wurden. Aber der Einweiser hatte noch einen Platz für einen niedrigeren PKW gesehen, und dieser mußte eben vor uns auf die Fähre
fahren. Und hinter uns hatten noch einmal zwei PKW Platz. Als wir ausstiegen, um in den Salon zu gehen, sah ich diese
Millimeterarbeit: Von Auto zu Auto blieben manchmal nur wenige Zentimeter Abstand. Einfach genial!
Nach 4 Stunden Überfahrt auf der "Lødingen" erreichten wir Bodø gegen 18 Uhr. Es war leicht bewölkt und auch nicht mehr ganz so
warm. Die Stadt wirkte vom Wasser aus ziemlich trostlos mit ihren Wolkenkratzern. Alle Sehenswürdigkeiten liegen nah beieinander.
Beim Stadtbummel wirkte die Stadt wie ausgestorben. Kaum ein Mensch war auf der Straße. Bei einem Pub im "Glashuset" bekamen
wir die Antwort auf unsere Frage: Es war Fußball-WM und alle hockten vor den Fernsehern auf der Jagd nach Toren.
Von Bodø aus nahmen wir statt der E6, Hauptverbindungsstraße gen Süden, die landschaftlich schönere Küstenstraße 17 in Angriff. Ich
nenne sie die Brücken-Tunnel-Fähren-Straße, weil wir zig Brücken, mindestens 19 Tunnel (mit einer Gesamtlänge von ca. 29 km
[28.790 m]) passieren und 6 Fähren benutzen mußten. 33 km von Bodø entfernt sahen wir noch am selben Abend den stärksten
Gezeitenstrom der Welt und Norwegens schnellster Mahlstrom, den Saltstraumen. Er ist ein Sund (3 km lang, 150 m breit, 50 m tief),
der den Skjerstadfjord mit dem Saltfjord verbindet. 400 Millionen Kubikmeter Wasser strömen beim Gezeitenwechsel durch diesen
Engpaß. Der Höhenunterschied beider Wasserspiegel beträgt bis zu einem Meter, und die Strömung erreicht Geschwindigkeiten bis zu
30 km/h. Wir standen auf der erst seit einigen Jahren existierenden 770 m langen Betonbrücke, die den Strom überspannt. Leider
störten die Autos auf der vielbefahrenen Brücke. Mitten im Strom brüteten Möwen ungestört auf einer kleinen Insel.
Wir durchquerten fünf Tunnel (u. a. Sundsfjord, Vindvik, Skaugvoll und Storvikskar mit 3.100 m der längste) auf einer Gesamtlänge von
5.370 m, bevor wir nach 157 Fahrtkilometern gegen 21.30 Uhr unseren Übernachtungsplatz an der Straße 17 erreichten. Die Wolken
hatten sich mittlerweile fast verzogen und wir noch einmal einen schönen Blick auf die Mitternachtssonne.
Der nächste Tag war ein Sonntag. Die Sonne ließ sich zunächst kaum blicken, später war es locker bewölkt; die Temperatur lag bei 17
°C. Wir setzten unsere Reise in Richtung Trondheim fort. Ich fuhr die erste Strecke. Durch drei Tunnel (Glomfjord: 2,2 km, Fykan: 1,9
km und Svartis: 7,6 km) kamen wir zu Norwegens schönstem und zweitgrößtem Gletscher, dem Svartisen (Das schwarze Eis). Ein
gewaltiges Zeugnis der letzten Eiszeit. Der Svartisen kommt von 4 Gipfeln, die zwischen 1.577 m und 1.640 m hoch sind und bedeckt
eine Fläche von 370 km². Vom Holandsfjorden aus kann man den Engabreen, die Gletscherzunge, die noch vor 30 Jahren bis an den
Fjord reichte und heute um mehrere hundert Meter abgeschmolzen ist, ganz gut sehen. Sie ist ein Wahrzeichen für die
Klimaerwärmung.
Am Ende des Holandsfjorden wartete die erste Fähre auf uns. 10 min benötigte sie für die Strecke Forøy - Ågskavdet. Nun mußten wir
uns beeilen, damit wir die sonntags recht selten fahrende Fähre Nr. 2 Jektvik - Kilboghamn erreichten. Bertram legte für die 28 km und
durch zwei Tunnel (Straumdal: 3.200 m und Kista: 400 m) eine rasante Fahrt zurück und überholte dabei alle vor uns von der letzten
Fähre gefahrenen Wohnmobile. Der Grund war folgender: Die erste Fähre war sehr voll, wir waren geradeso mitgekommen. Wir wußten
nicht, wieviel Autos an der Fähre Nr. 2 stehen würden. Und auf 4 Stunden Wartezeit, nur weil kein Platz für uns war, hatten wir keine
Lust. Die Fähre mit dem Namen "Bodø" erreichte nach 1,5 Stunden, die wir auf dem Sonnendeck verbrachten, ihr Ziel. Während der
Überfahrt passierten wir unmerklich auch den Polarkreis nach Süden. Ab heute würde die Sonne also wieder untergehen. Wie sie wohl
ist, die Dunkelheit?
Bei ca. 25 °C Lufttemperatur machten wir kurz nach der Fährüberfahrt unsere Mittagspause am Ufer eines kleinen Sees. Wir blieben bis
ca. 15.15 Uhr, ehe wir unsere Reise in Richtung Nesna fortsetzten. Nun war ich wieder an der Reihe, und prompt mußten wir auch
wieder vier Tunnel (u. a. Sil: 2.870 m, Førnes, Sjang: 2.800 m) passieren.
Gegen 16.30 Uhr waren es immer noch 26 °C! Die Fähre Nr. 3 Nesna - Levang erreichten wir um 17.40 Uhr. Sie benötigte 25 min für die
Überfahrt. Bei Sandnessjøen gibt es keine Fähre mehr. Die 10 min Fahrzeit wurden durch eine teuere Brücke, die Helgeland-Brücke,
ersetzt. Hier zahlt man 72 NOK (= ca. 18 DM) Maut. Im Reiseführer "Skandinavien - der Norden" mit Stand 1998 steht die Fähre noch
drin. Hinter Sandnessjøen kamen wir an der beeindruckend-bizarren Bergformation Sju Søstre (Sieben Schwestern) vorbei. Die sieben
Gipfel wie an einer Perlenschnur sind Aufschüttungen längst verschwundener Gletscherzungen. Nackter Fels ohne jegliche Vegetation
mit sieben Kuppen. Der Sage nach aber sind es die bei Sonnenaufgang zu Stein erstarrten Töchter des Samen-Gottes Sulitjelma. Über
mehrere durch Brücken verbundene Miniinseln kamen wir nach Tjøtta. Fähre Nr. 4 brachte uns, mit Zwischenstops auf zwei weiteren
Inseln, nach Forvika. Von hier aus brauchte die Straße 17 nur 17 km bis zur nächsten Fähre. Es gab nur diese eine Straße, kaum ein
Dorf, keine Ausweichmöglichkeit. Wir erreichten sogar Fähre Nr. 5: Anddalsvågan - Horn. Nur die Fähre Nr. 6 Vermesund - Holm
schafften wir nicht mehr. Nach 21 Uhr am Sonntag fährt keine Fähre mehr. Um am nächsten Morgen die erste Fähre um 6.15 Uhr nicht
zu verpassen, übernachteten wir auf der Wartespur vor der Anlegestelle. Bis hierher hatten wir 349 km zurückgelegt. Es war eine sehr
schöne Strecke gewesen. Wir hatten zwar keine Mitternachtssonne mehr, aber einen herrlichen Sonnenuntergang und immer noch
keine Dunkelheit. Bertram sagte mir später, die Sonne sei jedoch nicht ganz untergegangen. Waren wir eventuell noch gar nicht
unterhalb des Polarkreises? Lag hier vielleicht eine Verschiebung vor?
Die Fähre benötigte 20 min bis ans andere Ende des Fjordes. Wetter: teils wolkig, teils sonnig, 21 °C. Auf einem gemütlichen Parkplatz
im Grünen frühstückten wir erst einmal.