Made with MAGIX Reisebericht ... oder: Wie man aus der Not eine Tugend macht 6. - 25. Mai 2002 II. Wie man mit dem Zug durch Spanien fährt Freitag, 10. Mai 2002: Das Flugticket hatten wir schon Anfang April besorgt, da es um Himmelfahrt/Pfingsten herum schon so gut wie  keine Flüge in Spaniens Süden mehr gab. Einen Flug nach und von Madrid schlugen wir aus, weil es von dort so weit bis Andalusien  ist. Da blieb als einzige und günstige Alternative Jerez de la Frontera, an der Südküste in der Nähe der portugiesischen Grenze. Und  ich freute mich so auf Andalusien, nachdem es im Mai 1999 wegen dem Werkstattaufenthalt in Tournus/Frankreich nicht geklappt  hatte. Und nun erfuhr ich gestern am Telefon von Bertram, dass er nicht nach Jerez kommen kann, weil das Auto ein größeres  Problem hat und die Teile erst Montag geliefert werden können. Ich war so deprimiert, das kann man sich gar nicht vorstellen! Jerez  ist 590 Straßen-km von Madrid entfernt!!!  Wie komme ich nun nach Madrid? Den Charterflug umbuchen war nicht möglich - die Fluggesellschaft Hapag Lloyd wusste nicht, wie  das geht und TUI, zu denen ich verbunden wurde, wollten mir höchstens ein neues Ticket verkaufen, da ich bei Alltours und nicht bei  ihnen gebucht hatte. Da rief ich meine Schwester Katrin an, ob sie mir im Internet eine Zugverbindung von Jerez nach Madrid  heraussuchen könne. Ich war ihr später sehr dankbar dafür, denn damit hatte ich keine Probleme bei der Verständigung. Am Freitag Morgen überraschte mich Bertram im Tiefschlaf mit der freudigen Botschaft, für den 21-Uhr-AVE eine Reservierung  besorgt zu haben. Da war ich etwas erleichtert und konnte erst einmal die Reise antreten.  Um 15.15 Uhr startete in Frankfurt/Main die voll besetzte Boeing 737/800 für ca. 2.000 km in Richtung Jerez, an Bord 184 Touristen,  die sich auf ihren Urlaub in Andalusien freuten. Ich musste die ganze Zeit überlegen, wie würde wohl unser Urlaub nun aussehen?  Würde ich den Zug nach Sevilla und vor allem den nach Madrid schaffen? Der Flug ging in ca. 10.000 m Höhe über Luxemburg,  Pamplona, südlich von Madrid und Sevilla nach Jerez, wo wir kurz nach 18 Uhr bei stark bewölktem Himmel und 18 °C landeten.  Ich sprintete sofort zu den Taxen und sagte "Main Station". Daraufhin schauten mich die Fahrer an, als käme ich vom Mond. Erst auf  mein "Estación de trenes" führte mich einer zu seinem Fahrzeug und brachte mich in ca. 25 min und für 10 € zum Bahnhof, mitten  durch die für die Fería de Caballos abgesperrte Innenstadt. Hier waren viele Leute per Pferdekutsche und in Flamenco-Kleidung  unterwegs. Schade, dass wir von der Fería nun nichts mitbekommen. Am Bahnhofsschalter war ich froh, wenigstens ein bisschen Spanisch zu können - mit Englisch kommt man auch hier in Andalusien  nicht sehr weit. Nach einem Kauderwelsch von spanischen, englischen und französischen Vokabeln - nach zwei Jahren waren meine Spanischkenntnisse etwas eingerostet - und dem Vorlegen meiner Zugverbindung sowie der Reservierungsnummer bekam ich mit  Erfolg meine beiden Zugfahrkarten. Dabei schüttelte der Bahnangestellte mit dem Kopf, weil ich vorhatte, innerhalb von 8 min in  Sevilla den Anschlusszug zu bekommen. Um 19.41 Uhr fuhr der Andalucía-Exprés (Zug-Nr. AE 3015), von Cadíz kommend, pünktlich in Richtung Sevilla ab. Ein Ehepaar, das  mit mir im Flieger saß, wollte auch nach Sevilla und meinte, dort sei ein Kopfbahnhof und die Rolltreppe zum Gleiswechsel an der  Kopfseite. Daraufhin stiegen wir ganz vorne ein. Der kurz nach Abfahrt vorbeikommende Schaffner schüttelte auch den Kopf und  meinte, mit Gepäck sei die Zeit viel zu knapp. (Ich habe bisher alle Anschlusszüge mit 8 min Umsteigezeit bekommen. Er ging  vermutlich von der Gemütlichkeit der Spanier aus.) Und wieder nur Spanisch. Auf mein Englisch reagierte er nicht. Das einzige Wort,  das ich richtig verstand, war "¿Comprende?" - Verstehen Sie? Trotzdem, immer die Haltestellenanzeige und die dahingleitende Zeit  beobachtend, genoss ich die Fahrt durch die Weiten Andalusiens. Fast nur Felder, ab und zu eine Schafherde und einmal ein kurzer  Stopp wegen einer Herde Ziegen auf den Gleisen. Kurz vor Sevilla sagte mir der Schaffner, dass der AVE am Gleis 5 ankommen werde und dass ich ihm folgen solle. Ich wusste in  diesem Moment nicht, was mich erwartete, warum ich ihm folgen sollte. Er führte mich in den hinteren Teil des ersten Wagens und  ließ mich an der Station San Bernardo in den hinteren Wagen umsteigen. Ich hatte die Zuggröße mächtig unterschätzt. Auch in  diesem Waggon lief ich bis ganz hinten. So war ich in Sevilla - Santa Justa um 20.55 Uhr ganz nah an der Rolltreppe. (Sevilla war  seit der Expo 1992 kein Kopfbahnhof mehr.) Ich glaube, die Spanier haben noch nie jemanden so wetzen sehen. Innerhalb 1 min war  ich von Gleis 10 am Gleis 5 (diese liegen nicht so weit auseinander wie z. B. in Frankfurt).  Völlig außer Atem stand ich am Kontrollzugang zum AVE (Zug-nr. AVE 9643). Aus Sicherheitsgründen werden die Tickets der  ankommenden Passagiere registriert und das Gepäck gescannt - ähnlich wie am Flughafen. Mein Wagen Nr. 8 war glücklicherweise  ganz hinten, sodass ich nicht mehr weit laufen musste. Der Zug war wirklich bis auf den letzten Platz ausgebucht. Danke, Bertram,  für die Reservierung! Pünktlich um 21 Uhr verließen wir den Bahnhof in Sevilla, um in 2½ Std. die Strecke von ca. 400 km nach  Madrid zu schaffen, nur ein Halt nach einer ¾ Std. in Córdoba war drin. AVE bedeutet "Vogel" und wie ein Vogel gleitet die TGV-  Nachbildung durch die Landschaft. (Innen erinnerte mich der Zug an den ICE, nur etwas enger gebaut.) Fast die ganze Zeit habe ich  geschlafen. Um 23.15 Uhr erreichten wir den Bahnhof Puerto de Atocha in Madrid, wo Bertram schon auf mich wartete. Den  defekten Bus hatte er in der Nähe des Bahnhofes geparkt.  Fahrkartenverkauf in Spanien: "Der normale Ticketverkauf im Regional- und Fernverkehr beginnt erst 2 Std. bis ½ Std. vor Abfahrt. Vor  den Schaltern bilden sich dann oft lange Schlangen. Der Vorverkauf (anticipada) erfolgt ..." [aus: Reiseführer Michael-Müller "Andalusien",  1999] nach einem Nummernsystem. Man zieht sich "su tourno", seine Nummer, und wartet manchmal über 1 Std., bis man an der Reihe ist.  In Madrid gibt es dieses moderne Nummernsystem auch an den "intercipada"-Schaltern, den Schaltern für Verkauf am Abfahrtstag, wenn der  Zug in mehr als 2 Std. abfährt.  Freitag, 17. Mai 2002: Gegen 15.30 Uhr fuhren wir zum Atocha-Bahnhof, weil wir beschlossen hatten,  wenigstens das Wochenende nach Cordobá zu fahren. Doch das Bahnpersonal streikte! Das hieß, seit 14 und noch bis 18 Uhr ging so gut wie gar nichts mehr, dann erst ab 22 - 6 Uhr. Es war nur ein Schalter  geöffnet, für den man eine Nummer ziehen musste (siehe "Fahrkartenverkauf in Spanien"). Gerade war  No 510 dran und wir hatten 578/579 gezogen!!! Das bedeutete, ca. 1½ Std. warten. Nun, Warten sind wir  ja von diesem Urlaub schon gewöhnt. Gegen 17.45 Uhr öffnete ein weiterer Schalter und Punkt 18 Uhr ein  dritter. Dann ging es relativ schnell, denn viele Menschen erschienen schon gar nicht mehr. Mit dem Talgo  200 werden wir morgen nach Andalusien fahren. Dieser Zug ist nicht so komfortabel wie der AVE, dafür  aber mit 40 € um 20 € pro Nase billiger.  Samstag, 18. Mai 2002: Wir standen schon um 7.15 Uhr auf und fuhren bei schönem, aber noch kühlem Wetter zum Atocha-  Bahnhof. Die Zeit bis zur Abfahrt unseres Zuges nutzten wir wieder zu einem 1,50-€-Frühstück in der nahen Bar. Um 9.32 Uhr verließ  unser Talgo 200 in Richtung Málaga - dorthin wollten wir ursprünglich auch - Madrid. Eigentlich hatten wir zwei Gangplätze, doch  eine russische Familie wollte zusammensitzen und durch den Tausch bekamen wir doch einen Fensterplatz. Mir gegenüber saß ein  junger Mann in kurzen Hosen und Muskelshirt. Bestimmt fährt er nach Málaga, 4 Talgo-Std. von Madrid entfernt, zum Baden. Mit  einem riesigen Badetuch schützte er sich vor der gut kühlenden Klimaanlage; wir hatten unsere Sweatshirts an. Es war schön, die  Montes de Toledo wiederzusehen, auch wenn wir es uns nicht so vorgestellt hatten. Der Talgo hielt in Ciudad Real (siehe  Reisebericht "Castilla-Leon", 1999) und Puertollano. Um 11.32 Uhr erreichten wir Córdoba.  Sonntag, 19. Mai 2002: Mit 5 min Verspätung startete unser Andalucía-Exprés mit hoher Geschwindigkeit wackelnd in Richtung  Cádiz. Wir nutzten diese Zugart nicht nur, weil sie wesentlich billiger ist als AVE oder Talgo, sondern weil wir die Landschaft genießen  wollten. Der Zug hielt in Posadas (Temperaturanzeige im Zug: 19 °C), Palma del Río (21 °C), Peñaflor (21 °C) und Lora del Río (22  °C). Gegen 10.50 Uhr erreichten wir Sevilla...  Völlig fertig ... warteten wir abends auf den 18.46er Andalucía-Exprés in Richtung Jaén, um nach Córdoba zurück zu fahren. Der kam  mit 10 min Verspätung, aus der ½ Std. wurde, weil wir noch auf Anschlussreisende warteten. Holpernd und fast aus den Gleisen  springend holte der Zug später 10 min davon wieder auf. Trotzdem bekamen wir eine wunderschöne Landschaft zu sehen: Plantagen  von Orangenbäumen, Orangenernte, einen Zitronenbaum, Spargel- und Maisfelder, noch nicht blühende Sonnenblumenfelder,  Feigenbäume, Pfirsichplantagen, blühende und Früchte tragende Opuntienhecken, Agaven, Ziegenherden, den Guadalquivir; wir  passierten - nah oder fern - die typischen weißen Dörfer Carmona und Peñaflor sowie die Festung Almodóvar del Río. Gegen 20.30 Uhr erreichten wir wieder Córdoba.