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Reisebericht
Im 17. Jh. galt Lima, 1535 von Francisco Pizarro gegründet, als eine der reichsten Städte der Welt. Sie war Residenz der
spanischen Vizekönige, die zu Beginn über ein Gebiet herrschten, das von Nicaragua bis zum Kap Hoorn (9.000 km) reichte. Lima
besaß das Handelsmonopol. Alle Reichtümer der amerikanischen Kolonie und spanische Waren kamen stets über Lima in alle
Regionen. Erst mit der Gründung der Vizekönigreiche Neu-Granada (Kolumbien, 1717) und La Plata (Argentinien, 1776) verlor Lima
das Handelsmonopol. Dazu kam das verheerende Erdbeben von 1746, dem nur 20 der 4.000 Häuser Limas standhielten. Heute
sieht man am Rand von Lima die Pueblos Jóvenes (Junge Dörfer) genannten Elendsviertel: Verschläge aus alten Kisten, Pappe,
Benzinkanistern und Plastikfolien, in denen auf dem Wüstenboden die hausen, die versuchen, hier ein Auskommen zu finden.
Trinkwasser erhalten sie in Tankwagen von der Stadtverwaltung. Wer eine Hütte aus geflochtenen Rohrmatten sein Eigen nennen
kann, ist sozial schon ein Stück aufgestiegen. Vielleicht können sich diejenigen irgendwann einmal ein Stromkabel und eine
Wasserleitung leisten.
Zuerst machten wir einen Fotostopp an der Plaza San Martín, die von Häusern im Stil der
Jahrhundertwende (18.-19.Jh.) umgeben ist. In der Mitte befindet sich das Reiterdenkmal von San Martín,
der 1821 Lima von der Kolonialherrschaft befreite und die Unabhängigkeit Perús proklamierte.
Christine, unsere einheimische Stadtführerin, trafen wir auf der Plaza de Armas.
Hier stehen mehrere bedeutende Gebäude aus der Kolonialzeit. Pizarro steckte
die Umrisse einst persönlich mit seinem Degen ab. Die Plaza zählt zu den
schönsten des Kontinents, wo einst glänzende Feste gefeiert wurden, wo wütende
Stiere mit berühmten Toreros um ihr Leben kämpften, Henker öffentlich Verbrecher und Rebellen
hinrichteten und deren blutige Köpfe zur Schau stellten, und wo die Inquisition ihre Opfer verbrannte.
Auch heute noch repräsentieren die Bauwerke um den Hauptplatz die Macht von Kirche, Staat und
städtischer Verwaltung. Der Bischofspalast besitzt prächtige, für das kolonialzeitliche Lima typische, geschnitzte Balkone. An der
Nordostseite steht der Palacio de Gobierno (Regierungspalast, erbaut 1938), gegenüber der Kathedrale das Rathaus
Municipalidad (erbaut 1945). An der der Plaza zugewandten Seite prangt das Habsburger Wappen. Rechts vor dem Gebäude steht
ein Denkmal Pizarros, auf dessen Haupt gerade eine Taube ihre Exkremente hinterließ. In der Mitte der Plaza steht ein Brunnen aus
dem Jahre 1650, der die Wappen des spanischen Königs und der Stadt trägt. Oftmals kann man den Brunnen gar nicht richtig
wahrnehmen, denn hier lauern die Touristenfänger: junge Müttern mit Kindern auf dem Rücken oder kleine Kinder selbst, die
Süßigkeiten verkaufen wollen, Schuhputzer, junge Männer mit miserablen Landkarten usw. Von der Treppe der Kathedrale aus
konnten wir schöne Studien betreiben, wie man auf Touristen lauert, sich ihnen nähert, sie bedrängt und sich mit oder ohne
Geschäft abwendet und das Spiel von vorn beginnt.
Die mächtige dreischiffige Catedral de Lima zeigt mehrere Stilelemente: Gotik, Renaissance, Barock und Klassizismus. Zur ersten
Kirche von 1555 legte Francisco Pizarro selbst den Grundstein. Doch sie wurde bald zu klein, eine weitere zu groß. Alle späteren
Kirchen stürzten bei Erdbeben ein. Die heutige Kathedrale ist eine Rekonstruktion der von 1624, die nach jeder weiteren Zerstörung
der jeweiligen Periode angepasst wurde. Eine Dachkonstruktion aus Zedernholz und Rohr, was nur durch das regenarme Klima
möglich ist, sowie wuchtige Holzsäulen aus dem 18. Jh. mit dem künstlichen Aussehen von Stein sollen dem Bau die nötige
Elastizität zum Schutz gegen Erdbeben verleihen. Die erste Seitenkapelle rechterseits ist Francisco Pizarro geweiht. In einem
Silbersarg liegen dessen sterbliche Überreste. Seine Tochter Francisca hatte die Ausstattung der ersten Kathedrale gestiftet unter
der Bedingung, dass ihr Vater hier beigesetzt werden würde. Die Wände der Kapelle sind mit vielen Mosaiken verziert. Eines davon,
mit Habsburger Doppeladler, stellt das Stadtwappen von Lima dar. Das Reich Karls V. dehnte sich bis hierher aus. Eine andere
Kapelle im churrigueresken Stil zeigt einen Kirchenfürsten in einem Holz-Altar, an den Seiten azulejos, alte Sevillaner Kacheln. Der
ungewöhnliche Hauptaltar wird von einem herrlichen, 1623 geschnitzten Chorgestühl aus Zedernholz eingerahmt, das alle
Zerstörungen überlebte. Fachleute bezeichnen es als das schönste Amerikas. Eine weitere Kapelle aus der Kolonialzeit zeigt Maria
Evangelista.
Flankiert wird die Kirche von der kleinen Iglesia del Sagrario, die im Gegensatz zur Kathedrale alle Erdbeben unbeschadet
überstand.
Zu Fuß gingen wir anschließend vorbei am Bahnhof Ferrocarril Desamparados - von hier fährt 6x wöchentlich ein
Zug nach Huancayo - zum Convento San Francisco aus dem 16./17. Jh., das auch heute noch von ca. 30
Mönchen bewohnt wird. Die Franziskaner sind die größte religiöse Gemeinschaft Limas. Einst nahm das Kloster
die Fläche von 4 Feldern der schachbrettartig angelegten Altstadt ein und galt als eines der reichsten Klöster
Limas. Die Wände des oberen Stockwerkes des Kreuzganges sind mit herrlichen Azulejos, die zwischen 1620
und 1639 eigens in Sevilla angefertigt wurden, verziert. Die Bilder zeigen Episoden aus dem Leben des Hl. Franz
von Assisi. Die Schäden des Erdbebens von 1940 sind noch heute deutlich zu sehen. Manche der Wände
machen den Eindruck, das nächste Erdbeben nicht mehr zu überstehen. Die alte Bibliothek ist sehr interessant,
jedoch darf man sie nicht betreten. Über eine kleine Kapelle gelangten wir in die sehr interessanten, aber auch
gruseligen und muffigen, erst 1951 entdeckten Katakomben, die eine unterirdische Verbindung zur Kathedrale
und zum Regierungspalast haben sollen. Sie dienten bis 1808 als Friedhof aller Kreolen (Nachkommen der Spanier). Man schätzt,
dass hier die Gebeine von ca. 70.000 Menschen ruhen. In den einzelnen Räumen sind unzählige Knochen, fein säuberlich nach
Größe und Art sortiert, gestapelt. Vermutlich hängt das mit dem kuriosen Ordnungssinn der Wächter zusammen, die die Skelette
zerlegten und Schädel Oberschenkel, Rippen und andere Knochen in dafür vorgesehene Gruben legten. Die Katakomben haben
übrigens alle Erdbeben überstanden - angeblich wurde das Fugenmaterial mit dem Eiweiß aus den Eiern der Guano-Vögel stabiler
gemacht.
Plötzlich erschien unser Reiseleiter Jürgen - wir hatten bereits ¾ Std. Verspätung! Die dreischiffige barocke Klosterkirche konnten
wir nun nicht mehr sehen; abgesehen davon hatte sie mittlerweile bereits geschlossen - Siesta.
Die UNESCO erklärte das Kloster mit der stuckgeschmückten Kirche und ihrem kostbaren Chorgestühl zum Weltkulturerbe.
Mit dem Bus kamen wir aufgrund eines Massenstaus anlässlich einer Demonstration nur langsam vorwärts. So konnten wir die Fahrt
vorbei an den vielen Häusern mit hübschen kolonialen Balkonen aus dem 17./18. Jh. richtig genießen.
Im modernen Stadtteil Miraflores, 8 km von der Altstadt entfernt, trugen die Wolkenkratzer ihren Namen zu Recht - so tief hingen die
Garúa-Wolken. Am Parque del Amor machten wir einen kurzen Fotostopp. Dann fuhren wir ins Zentrum von Miraflores, wo wir von
13.30-15 Uhr Freizeit hatten. Leider gab die Gegend aber nichts her!
Zum Abschluss des Tages stand nun noch der Besuch des Goldmuseums auf dem Programm, dessen ausgestellter Goldschatz
überwiegend aus der Chimú-Periode stammt. Mit 25 Sl. pro Nase war uns der Eintritt jedoch zu teuer - genauso dachten auch 10
weitere Mitreisende. Also blieben wir 12 von 20 die zwei Stunden von 15.30-17.30 Uhr untätig im Bus. Das Museum liegt passender
Weise in Monterico (= "Reicher Berg") - dem Villenviertel der Reichen. Die Anwesen sind mit Stacheldraht und/oder Elektrozaun
gesichert, regelmäßig fahren ein Wachdienst und die Polizei Streife. Wir beobachteten, wie die Außenwände und Grünflächen eines
Hauses sprühdesinfiziert wurden, danach kehrten 3 (!) Dienstmädchen den Gehweg.
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30. Oktober 2001