Erstellt mit MAGIX Reisebericht Damaskus - Aleppo  Schon am nächsten Morgen brachen wir um 7 Uhr auf gen Mittelmeer. Da wir sehr viele Neulinge in der Gruppe hatten, war es gar nicht so einfach, beim Abbau alles ordnungsgemäß zu verstauen. Dazu kam, dass jeder auf seine Art arbeiten wollte und letztlich keine Einigung  erfolgte. Die Temperatur betrug am Morgen 10 °C, es war wolkenlos und sonnig. Bei einem Fotostopp in Ayinetina sahen wir den Ort Ma'lúlá, der  malerisch am Fuße steiler, von Höhlen durchzogener Felshänge liegt. Vor dem griechisch-orthodoxen Thekla-Kloster (Mar Taqla), das wir anschließend besichtigten, gab es ein zweites Frühstück: frisches Fladenbrot. Danach besuchten wir das ebenfalls griechisch-orthodoxe Sergius-Kloster (Dair Már Sarqís), das früher ein Jupitertempel war, im 4.Jh. zur Kirche umgebaut und nach dem Heiligen Sergius benannt wurde. Er war Führer in der römischen Armee unter dem Kaiser Maximilianus.  Da er den christlichen Glauben nicht leugnen wollte, wurde er im Jahre 297 hingerichtet. Der niedrige Eingang in das Kloster führt in eine  kleine byzantinische Kirche. Hier hörten wir von einem griechisch-orthodoxen Pater das Vaterunser in Aramäisch. Die Bewohner des  berühmtesten Dorfes in Syrien haben sich bis heute ihren aramäischen Dialekt bewahrt, den so ähnlich schon Jesus gesprochen haben  soll. Auf der Weiterfahrt sowie auf langen Fahrtstrecken erzählte uns Rudi vieles über Land und Leute. In Syrien - und auch in Jordanien - wird  versucht, die Wüste mit Aleppokiefern, Zypressen und Peruanischem Pfefferbaum wieder aufzuforsten. Auf unserer Reise hätten wir zu  den Grenzen von 6 Ländern (Libanon, Türkei, Irak, Saudi-Arabien, Israel und Ägypten) weniger als 20 km Abstand. Homs (Hims), Syriens drittgrößte Stadt, bietet keine überragenden Sehenswürdigkeiten. Berühmt wurde die Stadt auch außerhalb des  Landes vor allem durch Witze, die über sie gemacht werden: der Einwohner von Homs, der Homsi, ist der Ostfriese Syriens. Wir hatten  einen Fotostopp bei der Moschee Jámi' Khálid Bin Walíd, in der sich das Grab des Kommandeurs der Moslemischen Armee befindet,  welcher 636 n.Chr. den Islam nach Syrien brachte, und die dadurch eine Pilgerstätte ist. Dabei wurden wir immer wieder von vielen  Kindern und Jugendlichen umringt. Erstens weil unser ROTEL auffiel, zweitens weil wir für die Araber die Exoten sind, und drittens, weil die Kinder gerne gefilmt werden und sich dann auch ansehen wollen. Aber den Gefallen habe ich ihnen nicht getan, weil ich sie sonst nie  losgeworden wäre. Unsere Mittagspause hatten wir in Hamá (Epiphania). In einer Grillstube in der Nähe des Flusses gab es herrliches Grillhuhn ("farruj") mit Fladenbrot und verschiedenen Soßen; ein halbes Hühnchen für nur 70 S£ (Syrische Pfund). Die Stadt an der Schnittstelle zwischen  fruchtbarem Ackerland und der Steppe der Nomaden war schon immer ein lokales Handelszentrum. Nördlich der Stadt liegt die  wasserreiche, fruchtbare Senke des Orontes. "Mächtige Wasserräder schöpften schon vor mehr als 1.500 Jahren das Wasser aus dem tief gelegenen Orontes in Aquädukte, die  es auf die Felder und als Brauchwasser in die Häuser brachten.... Mehr als ein Dutzend dieser "Norias" (Na´ura) bilden die  Hauptattraktion der Stadt. Überall entlang des Flusses tauchen sie schwerfällig und mit lautem Knarren - der Name Na´ura ist mit  dem syrischen Dialektwort für "Jaulen" verwandt - ihre bemoosten Holzspeichen in das Wasser. Gemächlich drehen sie sich in ihren algenbewachsenen, wuchtigen Lagern und schütten das im Sonnenlicht gleißende Wasser in die Aquädukte." [aus: Marco Polo  Reiseführer "Syrien", 1996] Wir sahen im Stadtpark die beiden größten Wasserräder "Ná'úra al-Jisriye", das als sangesfreudig bezeichnet wird, und das "Ná'úra al-  Muhammadiye", das größte Wasserrad der Stadt mit einem Durchmesser von 39,9 m, und stoppten mit dem Bus außerhalb der Stadt, wo noch einmal 4 Räder stehen, die allerdings wegen Rekonstruktion nicht in Betrieb waren. Die unterschlächtigen Wasserräder waren sehr leicht gebaut, aus Holz, und trugen außen eine Reihe von Schöpfgefäßen. Wenn die Gefäße in den Fluss eintauchten, füllten sie sich.  Oben gaben sie das kostbare Nass in einen Aquädukt ab, der es zur Bewässerung auf die Felder leitete. Nächste Station auf unserer Reise war Syriens schönste und am besten erhaltene Kreuzritterburg Crac des Chevaliers (Qal'at al Hisn).  Sie steht auf einem Vorsprung über einer fruchtbaren Ebene. Als Festung war sie praktisch uneinnehmbar; sie fiel nur durch eine Kriegslist des Sultans Beibars, nachdem er zwar die Außenmauer überwinden konnte, aber vor den großen Toren kapitulieren musste: Ein geschickt gefälschter Brief wurde den Verteidigern ausgehändigt. Er stammte offensichtlich vom Grafen von Tripolis und befahl der Garnison, sich zu ergeben. Die Ritter verließen ihre Festung, und so fiel der Crac des Chevaliers. Sie erhielten freies Geleit bis zur Küste und ritten einfach  weg. Der Crac gehörte zu einem ganzen Netz von Kreuzfahrerburgen, die von den Grenzen Syriens im Norden bis zu den Wüsten südlich  des Toten Meeres reichten. Sie verfügten über eine eigene Wasserversorgung, entweder in Reservoiren, die aus dem Fels gehauen  wurden, oder durch natürliche Quellen. So konnten sie monatelang einer Belagerung standhalten. Mit Hilfe dieser Burgen konnten die  Kreuzfahrer und ihre Nachfolger zwei Jahrhunderte lang einer moslemischen Übermacht trotzen. Die Wände sind unglaublich dick; sie  bestehen aus 38 cm hohen und fast 1 m langen zugehauenen Blöcken. Die Burg besteht aus zwei Teilen: der Außenmauer, erster  Befestigungswall, und der Innenmauer, zweiter Befestigungswall. Unterhalb der drei höchsten und stärksten Türme der inneren Burg  befindet sich eine schräge Mauer, die über 24 m tief in einen Burggraben abfällt. Der Grund für den Neigungswinkel der Mauer soll nach T. E. Lawrence darin bestanden haben, angreifende Truppen daran zu hindern, so nahe an die Mauer zu gelangen, dass die Verteidiger sie  nicht mehr beschießen konnten. In ´Amrít besichtigten wir das Wasserheiligtum der Phönizier, wo sich mittlerweile Frösche und wilde Alpenveilchen angesiedelt haben. Von den zwei recht merkwürdig aussehenden Monumenten wird vermutet, dass sie Gräber seien. Es ist wenig bekannt über die blühende  phönizische Siedlung, die 333 v. Chr. von Alexander dem Großen und später durch die Römer übernommen wurde. Nach einem sonnigen Tag kamen wir kurz nach 18 Uhr auf den Campingplatz in der Nähe von Tartús. Es war ein Parkplatz vor einer  typisch arabischen Herberge. Rudi hatte drei Häuschen zum Duschen geordert, eins für Damen, eins für Herren und ein gemischtes. An  die Stehklos haben wir uns ja gewöhnt, aber an den Dreck der verfallenen Hütten nicht. Dass hier wirklich Leute zum Übernachten  herkommen würden, konnten wir uns beim besten Willen nicht vorstellen. Wir bauten unser ROTEL auf, einige Damen und Herren der  Gruppe halfen beim Gemüseschnippeln. Dann zog es mich und einige andere in die kalten Fluten des Mittelmeeres. Es war eiskalt, aber  nach der langen Kältezeit auch kein Wunder. Also hieß es für mich: einmal untertauchen und wieder hinaus. Schließlich war ich eine  Woche vor dem Urlaub gerade von einer Erkältung genesen. Kurze Zeit mussten wir beim Abendessen im Dunkeln sitzen. Nach  mehrfachem Flackern war der Strom ganz weg, bis auf der anderen Straßenseite der Notgenerator angeworfen wurde, der wahnsinnigen  Krach machte. Bei stark bewölktem Wetter und 13 °C fuhren wir um 6.30 Uhr weiter. Erste Station war Ugarit (Ras Shamrá) mit seiner 1928 durch einen  Bauer beim Pflügen entdeckten Ausgrabung. Die ersten Menschen siedelten im 7. Jahrtausend v. Chr. an dem Ort, der nach dem Tell Ras Shamrá benannt wurde. Erst in der ersten Hälfte des 18. Jh. v. Chr. führte er den Namen Ugarit. Da der offizielle Eingang noch nicht  geöffnet war (ROTEL ist bekanntlich überall die erste Reisegruppe), marschierten wir daneben vorbei durch vom Tau noch nasses Gras.  Langsam kam die Sonne hinter den Wolken hervor. Die gut erhaltenen Mauern und Fundamente der im 3. Jahrtausend v. Chr. von den  Kanaaitern gegründeten Stadt wurden aus Steinen, nicht aus Tonziegeln, errichtet. Ugarit ist für seine bei den Ausgrabungsarbeiten  gefundenen Terracotta-Tafeln berühmt: Vor dem 14. Jh. v. Chr. benutzte der alte Orient zwei Schriftarten: Hieroglyphen (Ägypten) und  Silberkeilschrift (Mesopotamien). Jede dieser zwei Schriften bestand aus Hunderten von Zeichen, die entweder ganze Wörter oder Silben  darstellen, was ihren Gebrauch erheblich erschwerte. Und nun erscheinen auf einmal unter den Tontafeln von Ras Shamra viele mit einer neuen Keilschrift aus nur 30 Silben. Es war eine alphabetische Schrift, in der jedes Zeichen einen Buchstaben darstellt. Das Alphabet von Ras Shamra, das ins 14. Jh. v. Chr. fällt, ist das älteste von den bis heute bekannten Alphabeten. Man hatte es mit einer semitischen, dem Arabischen verwandten Sprache zu tun, mit der sie ungefähr 700 Wörter gemeinsam hat, heute ´Ugaritische´ genannt. Diese Tontafeln  geben etwa von 1360 - 1330 v. Chr. an Auskunft über die Geschichte der Stadt. In Latakia (Al Ládhiqíyah) fotografierten wir einen Friedhof und den römischen Tetrapylon. Friedhöfe bestehen hier in Syrien aus  Steingräbern und sind in der Regel schmucklos. Nur zwei Mal im Jahr kommen die Verwandten und bedecken die Gräber mit Grünzeug.  Einer dieser Termine ist das Opferfest (´Id al-Adhá), das genau in den Monat der Pilgerfahrt (Hajj) nach Mekka fällt (1998 ab 7. April) und 5 Tage dauert. Es erinnert an Abraham, der bereit war, seinen Sohn zu opfern. Dann ist der Friedhof richtig hübsch. In den moslemischen  Ländern gibt es eine andere Zeitrechnung als bei uns, der Hejira-Kalender. Nach diesem befinden wir uns im Jahr 1418, das vom 9. Mai  1997 bis 27. April 1998 geht. Mittags, zwischen 11 und 12 Uhr, aßen wir in einem Straßen-Familien-Restaurant Kebab auf arabische Art mit Zaziki und Gurken-  Krautsalat, dazu gab es Fladenbrot. Während dessen wurde unser Bus einschließlich Hänger vom Staub befreit. Durch das sehr  kalkhaltige Wasser sahen die Scheiben nachher jedoch dreckiger aus als zuvor. Da wir an der hinteren Tür sitzen, konnten wir diese mit  einem Tuch nachwischen und so wieder gut filmen und fotografieren. Bei Jisr ash Shughúr gingen wir zu Fuß über den Orontes, natürlich über eine Brücke. Unser Campingplatz befand sich etwa 30 km vor Aleppo. Der von ROTEL ursprünglich genutzte war in den letzten beiden Jahren Pleite  gegangen. Wir bauten das ROTEL auf und fuhren anschließend nach Aleppo (Halab) hinein. Die Stadt hat 2 Mio. Einwohner und 450  Moscheen und jährlich kommen neue dazu. Aleppo war die bedeutendste Handelsstadt Syriens. Mit der Rivalin Damaskus im Süden  konkurriert sie um die Ehre, die älteste ständig bewohnte Stadt der Welt zu sein. Über Jahrhunderte war Aleppo eine Handelsmetropole  von größter Bedeutung am Schnittpunkt der großen Handelsrouten von Europa nach Zentralasien, Indien und ins Zweistromland. Der neu erbaute Suezkanal zog einen Großteil der Warenströme ab. Weniger Geld kam in die Stadt und weniger Kulturimporte. Mit nachlassender  ökonomischer Betriebsamkeit scheinen Stadt und Menschen in immer stärkerem Maße Altes konserviert zu haben. Und dieses vermittelt  dem Fremden heute eine authentische Vorstellung vom Leben in der Stadt vor rund 200 - 300 Jahren. Wir besichtigten zunächst die Moschee "Al Rachman", eine moderne Moschee, die ans Christliche angelehnt ist. Danach folgte ein  Stadtrundgang durch den Suq, mit 12 km Ausmaß Herz und Prachtstück der Stadt. In den überkuppelten Gängen taucht der Besucher in  eine völlig andere Welt ein. Während in den Suqs anderer Länder überwiegend Souvenirläden die Hauptgassen säumen, orientieren sich die Händler im Aleppiner Suq am Bedarf der Bevölkerung Und genau das macht - laut Reiseführer - den Zauber des Treibens in den engen Gassen aus. Nur erlebten wir nicht viel davon, denn auch hier hatten so gut wie alle Geschäfte geschlossen, aber die Schafschlächter  waren fleißig am Werk. Überall Blut-Pfützen in den Gassen, hier lag ein Schafskopf herum, dort ein paar Felle oder Innereien... Für  manche aus der Gruppe, einschließlich Rudi, war der Anblick ziemlich ekelhaft. Zunächst besichtigten wir die Shaibije-Moschee  (Bäckermoschee), dann die älteste Moschee, die Jámi' at-Tút (Maulbeermoschee). Die kleine Moschee aus dem 12. Jh. zieren schöne  Schriftbänder und feine Ornamentfriese. In der Madrase 'Abd Allah al-'Azem, einer Koranschule, gab es Reste einer alten Moschee mit  Zedernholz, eine ehemalige Kathedrale und einen schönen Innenhof mit Arkaden-Galerie zu sehen. Aus der einstigen Kathedrale von  Aleppo, einem prachtvollen Bau mit byzantinischen Einflüssen im Stadtzentrum unterhalb der Zitadelle, wurde die Medrese Hallawiya, eine Hochschule für islamische Theologie. Ein moslemischer Richter hatte die Kathedrale und drei weitere Christenkirchen im 12. Jh.  beschlagnahmen lassen und anderen Zwecken zugeführt, um die christlichen Gemeinden Aleppos für die Überfälle europäischer  Kreuzritter zu bestrafen.  Eine Karawanserei konnten wir nicht besichtigen, da diese ebenfalls geschlossen hatten. Dafür erhielten wir Gelegenheit zum Besuch des Al-Bímáristán al-Arghúní, eines alten Hospitals. Hier und in vielen anderen Hospitälern kurierten die arabischen Mediziner schon im 11. Jh. Geisteskranke durch Wassertherapie. Das Plätschern der Brunnen sollte die Patienten beruhigen und heilen. In diesem Hospital wurden  Nervenkranke seit dem 14. Jh. mit Musik therapiert. Zum Abendbrot versammelten wir uns im Teehaus "Citadel Café" gegenüber der Zitadelle. Unser ROTEL-Essen bestand aus  Grillhähnchen, die Karl besorgt hatte. Zum Teehaus ist eigentlich nur Männern der Zutritt erlaubt, aber mit Rudi's Beziehungen... Es war  sehr voll. Da wurde Wasserpfeife ("argile") geraucht, Backgammon, Schach und Karten gespielt - und die Touristen beäugt. Ein  besonderes Erlebnis hatten Elsbeth und ich auf der Toilette: Zuerst schaute einer der Kellner nach, ob der Raum frei war, dann ließ er uns hinein. Während Elsbeth ihr Geschäft verrichtete, wartete ich in dem Waschraum. Was ich nicht wusste - da gab es noch eine zweite  Toilette. Der Mann, der da rauskam, war mit Sicherheit nicht weniger erschrocken als ich. Nachher hatten wir kurz die Gelegenheit, Aleppo bei Nacht zu erleben. Die Traube Kinder, die um mich herumstand, die halb verschleierten Frauen, die sich amüsierten... Es war schon  herrlich. Im Programm stand für den Abend: "...MÖGLICHKEIT ZUM BESUCH EINES HAMMÁMS, EIN TÜRKISCHES BAD...". Daraus  wurde leider nichts, da sich zu wenig Leute meldeten. Das war typisch für unsere Gruppe: Wo zusätzliches Geld bezahlt werden muss, da wird geknausert - zum Leidwesen derjenigen, die wirklich Freude daran gehabt hätten. Auch mich würde es interessieren, wie es ist, mal  nicht selber zu baden, sondern gebadet zu werden (Waschen, Haare waschen und Massage). Der Marco-Polo-Reiseführer [1996] schreibt dazu:  "Nachrichtenbörse, Gerüchteküche, Treffpunkt, Ort der Entspannung; also weit mehr als nur ein Bad(ehaus). Einen Hammam wie  den des ... an-Nasiri in Aleppo sollte man unbedingt am eigenen Leibe kennenlernen. Nichts ist entspannender, als wenn Syrer  Ihnen einmal richtig Dampf machen!" Einige Damen hatten wahrscheinlich Angst, sie könnten sich die Haare ruinieren... So waren wir gegen 20 Uhr wieder auf dem  Übernachtungsplatz. Wenig später kam die andere Gruppe - aus dem Hammám. Es war wolkenlos und sonnig bei 13 °C, als wir um 7 Uhr morgens mit dem ROTEL noch einmal nach Aleppo hineinfuhren. Rudi hatte das Programm etwas geändert, weil sonst eine Fahrtstrecke elend lang geworden wäre. So besichtigten wir morgens die auf dem Qal'at Halab gelegene Zitadelle mit ihren 5 Eingangstoren. Sie überragt auf dem gleichförmigen steilen Hügel Häuser und Súqs und wurde einst gut  verteidigt: Die Abhänge waren bis hinunter in die früher mit Wasser gefüllten Gräben mit Steinen verkleidet. Angreifern wurde so der  Aufstieg oder gar das Unterminieren der Mauern erschwert. Über eine auf Bögen gelagerte Brücke gelangt man zum riesigen Torbau.  Außer dem Eingangstor hat kaum etwas vom Palast des Ayyubiden al-'Azíz die Zerstörungswut der Mongolen überstanden. Wir  besichtigten die Abrahamsmoschee, die Rosen-Moschee, das antike Theater, den Rest des königlichen Palastes - 1230 von König al-'Azìz Mohammed erbaut und 30 Jahre später durch die Mongolen zerstört - mit einem 4-Seitigen Iwán, den Hammám und die Wohnung der  Eunuchen. Von den Mauern der Zitadelle hatten wir einen phantastischen Blick über die ganze Stadt. Der prächtige Thronsaal der  Mamlúken liegt im oberen Stockwerk des riesigen Torbaus der Zitadelle und war unser letzter Besichtigungspunkt. Im Teehaus von gestern genossen wir noch einen letzten Blick auf die Zitadelle, bevor wir aufbrachen. Der Ziselierermarkt hatte leider wegen des Opferfestes  immer noch geschlossen, sodass wir auf die Besichtigung der verschiedenen Handwerke verzichten mussten. Einen ganz kurzen Besuch statteten wir dem kolonialzeitlichen Baron-Hotel ab. Auf den historischen Matratzen nächtigten bereits so prominente Gäste wie Lawrence  von Arabien und Charles de Gaulle. Die teppichförmigen Stolperfallen auf der Treppe verhalfen vermutlich schon Charles Lindbergh, Agata Christie und Kemal Atatürk zu eindrucksvollen Freiflügen treppab bis vor die Rezeption. Armaturen aus der Zeit der Jahrhundertwende  versüßen das Warten auf wegen mangelnden Drucks nur spärlich und widerwillig fließendes Wasser in den oberen Stockwerken.  Sauberkeit ist hier relativ. Zwischen 11 und 12.30 Uhr hatten wir Freizeit. Bertram und ich besichtigten die Omayyadenmoschee. Ein schöner Säulengang umgibt auf drei Seiten den weiten Innenhof der Großen Moschee, über den wir barfuß im Taubendreck gehen mussten. Der Ebenholz-Minbar (Kanzel) stammt aus dem 15. Jh., das prachtvolle Minarett mit 45 m Höhe wurde im 11. Jh. errichtet. Anschließend spazierten wir ein letztes Mal  durch den Suq. Wir kamen an einem Keksladen vorbei, der einen herrlichen alten Backofen hatte. Als ich den Ofen filmte, kam der Besitzer angelaufen und gab uns beiden einen Keks zum Kosten. Es war eine Art Sandgebäck. Auf dem Weg zum Báb Antákiye, kamen wir  abermals an den Schafschlächtern vorbei. Es war aber noch nicht ganz so schlimm wie am Vortag. Das älteste Tor der Stadt bildet den  westlichen Zugang zum Súq. Im Inneren des Tores hängt an der Decke eine große Kanonenkugel. Der Legende nach hat ein gewisser  Shaikh Ma'rúf sie im 7. Jh. seinen ungläubigen Feinden in einem Wurf vom anderen Ende des Súqs aus entgegengeschleudert. Auf dem  Rückweg durch den Súq Antákiye mit Bäckern, Metzgern und Scherenschleifern beschlossen wir, ½ Kilo Kekse mitzunehmen. In einem  anderen Geschäft gab es Tücher und Tischdecken. Der Inhaber lud uns zum Tee ein und präsentierte uns seine Ware. Ich wollte ein  weißes Tuch und eine Tischdecke für meine Mutter. Das Handeln machte richtig Spaß. Die Forderung lag bei 80 DM, Bertram begann mit  25 DM. Ich setzte zwischendurch mein Skeptikergesicht auf - und das klappte. Als letztes Gebot legten wir schließlich 30 DM und 150 S£  auf den Tisch. Der Ladeninhaber nahm zähneknirschend lieber das Geld, als auf der Ware sitzen zu bleiben. So bekamen wir beides für  nur 36 DM. Kurz vor unserem Treffpunkt besuchten wir noch eine schon wieder geöffnete Karawanserei. Gegen 13 Uhr setzte unsere Reisegruppe ihre Rundfahrt fort. Wir besuchten ein paar Bauernhöfe, teilweise aus Bienenkorbhäusern  bestehend. Die aus Lehm errichteten Kuppelhäuser weichen allerdings zunehmend kastenförmigen, unverputzten Betonbauten, deren  einziger "Zierrat" aus Antennen und in die Luft ragenden Armierungseisen besteht. Unser Tagesziel war der durch die Russen erbaute Assadstausee. Er ist das berühmteste neuzeitliche Bauwerk im Nordosten Syriens. Er sollte ursprünglich die Versorgung mit Wasser und Elektrizität sichern. Die reparaturanfälligen sowjetischen Turbinen produzierten jedoch mehr Ärger als Strom. Seit dem Austausch der alten Turbinen durch moderne, westliche Modelle läuft die Stromversorgung problemlos. Bis dahin gehörten regelmäßige Stromsperren ebenso zum Alltag wie die mannshohen Notgeneratoren, die stundenlang auf den Gehwegen der Städte röhrten.  Nach einer Militärkontrolle konnten wir die Staumauer des Euphrat überqueren. Nun waren wir in Mesopotamien, dem Zweistromland  zwischen Euphrat und Tigris, das wir bisher nur aus der Geschichte kannten. Wir übernachteten vor dem Kastell Qal'at Jabar. Die aus  Lehmziegeln errichtete Festung steht auf einer Halbinsel im Stausee. Toraufgang, Mauern und das reichlich Schlagseite zeigende Minarett stammen aus dem 12. Jh. Die Sanitäranlagen waren die schlechtesten, die ich je auf einer ROTEL-Reise kennen gelernt habe: Bei der  einzigen Toilette hielt man den ganzen Türrahmen in der Hand, falls man auf die Idee kommen sollte, die Tür schließen zu wollen. Es  braucht ein wenig Zeit, die hockende Technik zu beherrschen, so erklärt es einem der Lonely-Planet-Reiseführer, ohne dass man alles aus seinen Taschen verlieren. Man sollte immer sein eigenes Toilettenpapier bei sich tragen oder die örtliche Gewohnheit annehmen, die linke Hand und Wasser zu nutzen. Es gibt immer einen Wasserhahn in bequemer Höhe für diesen Zweck - ob Wasser herauskommt, ist wieder etwas anderes. Zwei Waschbecken im Freien taugten gerade mal zum Zähneputzen. Ein Glück, dass in der Nähe des Platzes ein  Badestrand liegt. Dieser bestand mehr aus Kies als aus Sand. Ohne Badelatschen traute ich mich nicht ins Wasser. Aber kaum waren wir dort angelangt, versammelten sich immer mehr Schaulustige auf dem Gestade über dem Strand: lauter Araber - sie kamen sogar mit  Fotoapparaten. Am Anfang war es ja ganz lustig und interessant, wie man sich fühlt, wenn man ein Exot ist. Als die Männer jedoch  anfingen, uns zu betatschen, wurde es unangenehm und wir zogen es vor, wieder zum Übernachtungsplatz zurückzufahren - natürlich  mussten wir dabei durch ein Spalier neugieriger Einheimischer spazieren. War das ein komisches Gefühl... Ein paar Leute schnippelten  bereits das Gemüse für die Ratatouille, die uns Karl zum Abendbrot kochen wollte. Während wir beim Essen saßen, kamen zuerst zwei  wahrscheinlich ausländische Mädchen, die fragten, ob sie uns fotografieren dürften, danach eine ganze Familie aus Saudi-Arabien, die uns filmen wollte. Fühlen sich so die Leute, die wir immer auf unsere Bilder bannen, wie wir uns hier an diesem Abend?