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Reisebericht
16. August - 4. Oktober 1999
Teil 1: Castilla y León
Salamanca
Wir brauchten von Alba de Tormes nicht mehr lange bis in die Provinzhauptstadt Salamanca (802 m NN, 167.000 Ew.). Diese Stadt
wurde wegen der Fülle ihrer alten Bauten in ihrer Gesamtheit zum Nationaldenkmal erklärt und von der UNESCO in die Liste des
Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Die ausnahmslos aus goldgelbem Stein aus Villamayor errichteten Bauten verleihen der
Altstadt im klaren Licht der Meseta einen überwältigenden Anblick.
Vor unserem Stadtrundgang frühstückten wir in unserer Parklücke. Zuerst besuchten wir das Convento de San Esteban. In der
Klosterkirche, 1524-1610 erbaut, bekamen wir ein wenig von einer Messe vor dem vergoldeten Hauptaltar von José de Churriguera
(1693) mit. Die Fassade ist mit überreichem platareskem Dekor überzogen.
Salamancas Plaza Mayor gilt als der harmonischste und schönste Hauptplatz ganz Spaniens. Felipe V. gab
das barocke Kunstwerk 1729 in Auftrag, um die Stadtväter für ihre Treue zu belohnen. Die quadratisch
anmutende, jedoch leicht trapezförmige Plaza ist von einheitlichen, dreistöckigen Häusern mit Arkaden
umgeben. Bis ins 19. Jh. wurden hier Stierkämpfe abgehalten.
Durch die kleine Calle de Meléndez kamen wir zur Doppelkathedrale von Salamanca. Die Besichtigung der
1513 begonnenen, aber erst 1733 vollendeten Catedral Nueva mit spätgotischen, plataresken und barocken
Formelementen war kostenlos. Das reich ausgestattete, 104 m lange und 48 m breite Innere der Kirche ist
trotz des Choreinbaus durch seine Weiträumigkeit und Höhe (38 m) von großer Wirkung. Unmittelbar südlich an die Neue Kathedrale
stößt die romanische Catedral Vieja an, die wir durch einen Zugang vom rechten Seitenschiff der Neuen Kathedrale aus erreichten.
Sie wurde um 1100 gegründet und wohl noch vor 1200 vollendet. Für die Besichtigung mussten wir pro Person 300 Pts. Eintritt
bezahlen. Wie immer waren Video und Foto verboten. Im Innern beeindruckte uns ein monumentaler Retablo von Nicolás Florentino
(1445) mit 53 Darstellungen aus der Geschichte Christi und dem Leben Mariae. In einem Kapitelsaal fanden wir eine
Renaissanceorgel aus der Universität; eine der ältesten Orgeln Europas aus buntem Holz. Darunter ein Grabmal; das Besondere:
die Dame trug Plateauschuhe, um an Größe dem Herren gleichzukommen. Also sind Plateauschuhe keine Erfindung der 70er Jahre
des 20. Jh., die gab es schon im 15. Jh.
Die Iglesia La Clerecía von 1617 konnten wir wegen der Siesta nicht mehr besichtigen. Gegenüber steht die Casa de las Conchas
(Haus der Muscheln). Es war der Stadtpalast des Talavera Maldonado, der als Ritter des Santiago-Ordens sein Haus mit 365
Jakobsmuscheln verzieren ließ, die je nach Sonnenstand ein reizvolles Schattenspiel werfen. Heute ist hier eine Bibliothek
untergebracht.
Die 1218 gegründete weltberühmte Universidad de Salamanca genoss damals ein ebenso großes Ansehen wie etwa die Universität
von Paris. Zu ihren Glanzzeiten im 16. Jh. lebten und lernten bis zu 12.000 Studenten in der Stadt. Die Hauptfassade wurde 1534
mit ihrer verschwenderischen Fülle plataresken Schmucks an den einfachen Bau des Instituts angefügt. Sie ist
"Das unübertroffene Meisterwerk dieses Kunststils in Spanien. Über den beiden Türen reihen sich auf drei Feldern aufs Feinste ausgefüührte
Steinmetzarbeiten aneinander, unterbrochen von Pilastern. In der Mitte der ersten Etage erkennt man ein Medaillon mit dem Bildnis der
Katholischen Könige; darüber das Wappenschild Karls V. und der kaiserliche Doppeladler; wiederum darüber den Papst, von seinen
Kardinälen umgeben, rechts davon Venus, Priamos und Bacchus sowie links Herkules, Juno und Jupiter. Am rechten Pilaster im ersten Feld
erkennt man über dem Totenkopf einen Frosch, Glücksbringer der Studenten." [aus: Reiseführer Baedeker "Spanien", 1998]
Ohne die Beschreibung hätten wir den Frosch nie gefunden. Es hatte ziemlich lange gedauert; alle anderen Leute um uns herum
suchten ebenfalls den winzigen Frosch.
Der Puente viejo romano überspannt 400 m weit den Río Tormes und wurde gerade mittels EU-Geldern restauriert. Von den
insgesamt 26 Brückenbögen sind immerhin noch 15 Originale aus dem 1. und 2. Jh. erhalten.
Mit einem Abstecher nach Portugal in die Sierra de Gredos
Wir verließen Salamanca etwa gegen 16.30 Uhr, fuhren durch verschiedene Dehesas weiter und entdeckten hier auch wenige der
Zuchtstiere, die in den Stierkampfarenen ihr Ende finden Das im 13. Jh. von Alfons VII. von León errichtete Castillo Buen Amor in
Villanueva de Cañedo diente den Katholischen Königen als Stützpunkt im Kampf gegen Isabellas Halbschwester Juana ′La
Beltraneja′ um die Krone von Kastilien. Heute ist es Teil einer privaten Finca und deshalb wohl nur in Ausnahmefällen zu besichtigen.
Nach unserer 2 Stunden langen Abendsiesta in einer Dehesa fuhren wir weiter in Richtung portugiesische Grenze. Eigentlich wollten
wir in Ledesma (780 m NN) übernachten. Doch dann passierte folgendes:
Auf der Plaza Mayor kam eine Familie in die Nähe unseres Busses. Mutter und Tochter setzten sich auf eine Bank, der Vater holte
eine Federzug-Pistole unter dem T-Shirt hervor, zielte auf den Baum und schoss. Herunter fiel ein Spatz. Der kleine Sohn, nicht älter
als 5 Jahre, hob ihn auf und steckte ihn in eine Plastiktüte. Der nächste herab geschossene Spatz wollte davonlaufen, Vater und
Sohn hinterher. Während sich der Vater das Blut an einer Bank von der Hand wischte, schlug der Junge den Vogel so lang auf den
harten Boden bis dieser starb. Da flippte Bertram aus. Er fragte den selbst ernannten Jäger, was er mit den Vögeln machen wollte. -
Wir trauten unseren Ohren nicht; die wollten die Spatzen fressen! Das kann doch nicht wahr sein! Das Schießen von Singvögeln ist
nach EU-Recht grundsätzlich verboten. Jedes Mal, wenn ein Auto kam, versteckte der Mann die Pistole unter seinem T-Shirt, aus
Angst die Polizei könnte vorbeikommen. Nun begann Bertram immer dann zu hupen, wenn der Kerl auf die Vögel zielte. Diese
schreckten auf, flogen aber dummerweise nicht fort, sondern setzten sich immer wieder auf den Baum. Zu schade, dass wir keine
Vogelsprache beherrschen, um sie zu warnen. Wir drohten, ihn bei der Polizei anzuzeigen - ich hatte die Tat kurz gefilmt; schließlich
wusste ich nicht, wie der Vogelmörder reagiert, wenn er merkt, dass er gefilmt wurde. Wir fuhren weg; er kam uns angstvoll hinterher.
Leider hatte Ledesma keine Guardia Civil, die überregionale Polizei. Wir fuhren nun zum Übernachten nach Villaseco de los Reyes,
ca. 20 km entfernt. Man weiß ja nie, inwieweit ein Ort bei solch einem Vorfall zusammenhält In einer Bar tranken wir noch ein
Gläschen Rotwein zur Beruhigung. Unser Tagespensum: 120 km. Die ganze Nacht, bis 7.30 Uhr morgens, gewitterte es und goss in
Strömen.. (Wir sind erst Tage später auf eine Guardia Civil - Station getroffen; von einer Anzeige haben wir dann aber abgesehen;
wir wollten uns nicht nochmals dermaßen aufregen. Außerdem würden die Beamten nicht viel ausrichten können. In Spanien werden
Singvögelmörder eben noch nicht so streng verfolgt wie z. B. in Italien.)
Als wir dann gegen 8 Uhr - es war dann endlich hell - aufstanden, hatte sich das Wetter beruhigt; das Thermometer zeigte aber nicht
mehr als 14 °C. Auf der Weiterfahrt entdeckten wir in einer Dehesa die Iberischen Schweine (cerdo iberico), die noch eine gewisse
Ähnlichkeit mit Wildschweinen haben; sie sind klein, schlank und - schwarz; viel schöner als die fetten rosa Zuchtschweine.
Bei Pereña sollte es einen Fotoblick auf den Río Duero geben. Wir fuhren hin und zurück insgesamt 10 km, immer durch völlig
verbranntes Gebiet, wo es erst vor zwei Tagen gefackelt haben muss, aber den Duero haben wir nirgends gesehen. Das war wohl
wieder nur ein Satz mit X.
Wir sahen den Fluss dann an der Grenze zu Portugal. Dort ist er aufgestaut und über die Staumauer führt eine Straße. Auf der
portugiesischen Seite soll es laut Straßenkarte den Aussichtspunkt Durao auf 727 m NN geben. Den haben wir auch aufgesucht.
Zuerst mussten wir von über 1.000 m NN auf 300 m NN hinunter, um die Staumauer zu überqueren. Dann auf über 700 m wieder
hinauf. Unser Bus hatte ganz schön zu tun. Es war wunderbar; sogar Gänsegeier nisteten in den Felsspalten. Wir hatten vor, einen
anderen Weg wieder zurückzufahren, denn laut spanischer Landkarte gab es bei Barca de Alva eine Brücke mit Grenzübergang
nach Spanien. Durch das wunderschöne Gebirgstal des Ribeira de Mós in Portugal fuhren wir zu diesem Ort. Am Duero gab es
sogar schon Mittelmeervegetation mit Kakteen und Palmen. Ja, die Straße mit dem Europaschild "Portugal" war fertig, auch die
portugiesische Straße zum Fluss. Was fehlte, war die Brücke. Und von spanischer Seite gab es auch keine Anzeichen einer Straße.
Offensichtlich war hier mal ein Grenzübergang geplant, wurde aber nie gebaut. Laut Michelinkarte gab es auch keinen Übergang an
dieser Stelle. Also mussten wir am Duero wieder zu unserer Staumauer kommen, um nach Spanien hinüberzugelangen. Die Straße
wand sich entlang des Hanges, es war unendlich weit. Anschließend mussten wir wieder bis auf 1.0000 m Höhe hinauf; die Fahrerei
war ganz schön anstrengend.
Bei Hinojosa de Duero wurden wir angehalten; hier fand gerade ein Radrennen statt und die Fahrer mussten jeden Augenblick
kommen. Zuerst sah es nach Motorradralley aus; lauter Motorradfahrer mit Nummern in rasender Geschwindigkeit; erst dann die
Materialwagen und die Rennfahrer. Offenbar handelte es sich um ein Jugendrennen. Und niemand sagte uns, wann wir weiterfahren
konnten. Erst als wir Zivilautos in der Gegenrichtung gesehen hatten, trauten auch wir uns weiterzufahren.
Wir übernachteten nach 191 gefahrenen Kilometern in Lumbrales (700 m NN).
Am nächsten Tag hatten wir wieder den besten Sonnenschein. Morgens waren es zwar nur 14 °C, aber im Laufe des Tages erwärmte
sich die Luft auf 27 °C.
Wir frühstückten in einer Dehesa, bevor wir nach Ciudad Rodrigo (623 m NN, 16.000 Ew.), aufbrachen. Ihren Namen verdankt die
Stadt Conde Rodrigo González, der ′seine Stadt′ im 11. Jh. von den Arabern zurück eroberte. Die bis zu 13 m hohen
Stadtbefestigungen (murallas) sind rund 2.200 m lang und umringen die gesamte Altstadt. Sie stammt aus dem 12. Jh., doch wurde
bis ins 18. Jh. an ihr weiter gearbeitet. Rathaus und Post sind in Palästen aus dem 15. bzw. 16. Jh. untergebracht. Der Bau der
romanischen Catedral Santa María wurde Mitte des 12. Jh. begonnen. Wir betraten die Kathedrale durch zwei reich geschmückte
Portale und erblickten im Innenraum das prachtvolle Chorgestühl von Rodrigo Alemán (1498). Der Alcázar, das Castillo de Enrique
II. de Trastamara wurde zwischen 1334 und 1379 von König Enrique II. von Kastilien erbaut und dient heute als Parador-Hotel; es
wurde gerade restauriert. In dem friedlichen Städtchen war viel los, denn Dienstag ist Markttag. Wir schauten nur kurz in die
Markthalle hinein, waren aber gleich wieder draußen. Einfach zu viel Getümmel und Geschiebe.
Später kamen wir in die Sierra de la Peña de Francia, deren grüne Bergzüge nach der Weite der kastilischen Meseta eine
willkommene Abwechslung boten. Auf dem Berg Peña de Francia (1.732 m NN) steht ein Kloster, das Monasterio Nuestra Señora
de la Peña de Francia. Hier soll ein französischer Pilger eine Statue der hl. Jungfrau gefunden haben. An dieser Stelle befindet sich
heute eine winzige Kapelle. Von hier oben hatten wir einen tollen Ausblick auf die Sierras und in Richtung La Alberca. Interessant
war für uns die riesige Sonnenuhr, in die man sogar hineingehen konnte.
La Alberca (ca. 1.200 m NN, 1.000 Ew.) selbst ist eine schöne alte Siedlung. Das Dorf steht unter Denkmalschutz und zählt zu den
reizvollsten Spaniens. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein; unverkennbar drückt sich die arabische Vergangenheit in den
engen Gassen, den Häusern mit vorspringenden Stockwerken und der von hölzernen Arkaden gesäumten Plaza Pública aus.
Seit Ciudad Rodrigo fuhren wir die Strecke, die eine Etappe der 54. Spanienrundfahrt, der Vuelta, sein sollte, nur in
entgegengesetzter Richtung. (Anm.: Die Etappe von Béjar nach Ciudad Rodrigo gewann später Jan Ulrich.) Die Abfahrt nach La
Alberca war extrem steil und kurvig. Alle Achtung an die Rennfahrer, die diese Strecke bergauf fahren müssen. In einer Spitzkurve
dieser Straße, so sagte uns Pedro damals, sollte man gut im Río Batueca baden können. Wir haben den Weg gefunden. Am Ende
des Weges stand eine Ermita, aber auch viele Autos, so dass wir zum Anfang des Weges zurückfuhren. Dort stand nur ein Auto mit
Madrider Kennzeichen. Wir fanden eine Stelle, die tief war, aber wo man gut in den Fluss einsteigen konnte. Es war eine Wonne.
Kurze Zeit später kamen zwei Wanderer an uns vorbei. Wir trafen sie später wieder; es waren Deutsche, die mit dem hinter uns
stehenden Mietwagen unterwegs waren. Wir haben uns gut unterhalten. Später habe ich auf die bewährte Art und Weise Haare
gewaschen, bevor wir weiterfuhren. Wir fühlten uns dann etwas beobachtet. Eine Art Parkwächter spazierte immer hin und her.
Wir fuhren noch ein Stück weiter; unsere Straße führte nun ein kleines Stück durch die Region Extremadura. Hier fanden wir ein
Stück alte Straße, wo man uns von der neuen Straße nicht sah, und wo wir unsere Abendsiesta hielten. Zum Übernachten fuhren wir
in den Ort Sotoserrano in der Extremadura.
Gegen 8 Uhr und bei herrlichem Sonnenschein ging′s am nächsten Morgen weiter in Richtung Béjar. Es war eine landschaftlich sehr
schöne Strecke, leider aber eine neue Straße - und somit keine Anhaltemöglichkeit.
Im malerischen Miranda del Castañar wurden wir auf die bald stattfindenden Fiestas eingestimmt. Wir hörten schon von weitem die
Musik. Als wir in den Ort hineinkamen, fielen uns die vielen Zugvögel auf: zuerst die Schwalben, die sämtliche Stromleitungen
besetzt haben - und dann die musikalischen. Das waren festalisch bekleidete Jugendliche, die offensichtlich die Nacht durchgefeiert
haben. Sie spielten die unterschiedlichsten Instrumente und zogen von Tür zu Tür durch die alte Stadt. An einem Haus klingelten sie,
wünschten "Guten Morgen" und spielten weiter. Die Dame des Hauses kam heraus und brachte ein Tablett mit Gebäck heraus.
Bertram und ich wurden festgehalten und mussten mit essen. Dann gab es noch ein Glas mit Kirschen, aber mehr als alkoholisierte!
Sie waren ziemlich stark, zu viele darf man nicht davon essen, wenn man dann noch Auto fahren will. Vor dem Castillo war wieder
eine provisorische Stierkampfarena aufgebaut. Ein älterer Mann ging mit einem Schlauch über den Platz und spritzte ihn sauber.
Wahrscheinlich fand die letzte Nacht hier ein Kampf statt. Wir waren von den alten schiefen Häusern und engen Gassen begeistert.
In der einzigen Bäckerei des Ortes holten wir uns frisches Brot für das Frühstück.
Der Ort Béjar (950 m NN, 17.500 Ew.) liegt in reizvoller Lage auf einer Anhöhe über einem bergumrandeten Tal, an den westlichen
Ausläufern der Sierra de Gredos. Bedeutendstes Baudenkmal ist der festungsartige Palacio Ducal, der Palast der Herzöge von Béjar
aus dem 16. Jh. Uns hätte das oberhalb des Ortes gelegene Santuario El Castañar (1.050 m NN) interessiert. An dieser Stelle soll
im Jahr 1447 einigen Mönchen die Hl. Jungfrau erschienen sein, die seither Schutzpatronin der Stadt ist. Hier soll sich auch die
wahrscheinlich älteste Stierkampfarena Spaniens aus dem 16. Jh. befinden. Wir hatten keine Chance dorthin zu gelangen. Alle
Zufahrtsstraßen wurden durch die Polizei gesperrt; nur Toreros durften hinauf fahren. Wir hatten ursprünglich vor, zu versuchen, zum
Stierkampf mit der einzigen Torero-Frau zu gehen. Aber als wir diesen Zulauf sahen, verging uns die Lust. Die Einheimischen
marschierten bereits gegen 12 Uhr zur Arena, obwohl der erste Stierkampf erst 17.30 Uhr beginnen sollte. Und hinterher wird
gefeiert bis spät in die Nacht hinein und weiter bis zum Morgengrauen (das ist hier gegen 8 Uhr).
Über den uralten Bergort Candelario setzten wir unsere Reise fort. Wir mussten mehrmals nach dem Weg fragen, so verwinkelt und
schmal waren die Gassen. Manchmal hatte ich Angst, dass wir mit dem Hochdach an einem Balkon hängen bleiben. In El Barco de
Ávila (1.014 m NN) machten wir am Castillo de Valdecorneja mit seinen vier Türmen vor dem Panorama der Berge der Sierra de
Gredos einen kurzen Fotostopp, bevor wir in die Sierra weiterfuhren. In Hoyos del Espino bekamen wir ein kleines bisschen vom
Feeling einer Prozession mit, hier fand gerade eine statt. Sie führte die große Straße entlang; wir fuhren einfach hinter unserem
Vordermann den Berg hinauf und fanden so eine Abkürzung und mussten nicht hinter dem Prozessionszug herfahren.
Wanderung in der Sierra de Gredos
Die Sierra de Gredos ist das westlichste und höchste Massiv der Cordillera Central, des Kastilischen Scheidegebirge, das Alt- und
Neukastilien trennt und hauptsächlich aus Granit besteht. Hinter Hoyos del Espino führte eine kleinere Straße zur Plataforma auf
1.770 m Höhe in der Sierra de Gredos.
Wir kamen am späten Nachmittag nach 137 Fahrkilometern dort an. Das Wetter war so schön, dass wir gleich noch einen
Spaziergang unternahmen. Morgen wollen wir eine Wanderung, die der Naturführer vorschlägt, unternehmen. Wir waren ganz schön
geschafft, als wir nach 100 m Steigung auf der Wiese Prado de las Pozas ankamen. Deshalb beschlossen wir, heute nur noch bis
zum Refugio zu laufen; das war aber auch noch ziemlich weit entfernt. Unterwegs entdeckten wir u. a. Enziane, verschiedene
Heuschreckenarten, zwei Spanische Gebirgseidechsen mit grün schillerndem Schwanz und Iberische Steinböcke auf dem nächsten
hohen Felsen. Der Abstieg gestaltete sich etwas schwierig, denn wir hatten den regulären Weg verloren. Aber wir kamen heil auf der
Plataforma an.
Zum Abendessen fuhren wir ca. 1 km vom Parkplatz weg, da hier noch unheimlich viel los war. Erst als es dunkel wurde, kamen wir
zum Parkplatz zurück. Wir konnten ohne Probleme in freier Natur übernachten, denn hierher kamen nur Wanderer, die entweder
abends losgingen und in einem Refugio übernachteten, oder am frühen Morgen aufbrachen.
Eigentlich wollten wir beizeiten los, aber wir haben beide verschlafen; es wurde schon hell, als wir
aufwachten (da war es bereits 7.30 Uhr). Nach dem Frühstück brachen wir dann auf.
Nach 100 m d i e Überraschung: etwa 10 m vor uns querte eine Steinbockfamilie den Weg, um zur
Tränke zu kommen. Früh waren noch nicht so viele Leute unterwegs, so dass wir dieses Glück hatten und
die scheuen Tiere beobachten konnten.
Der Wanderweg war zuerst noch gepflastert und wurde früher als Schaftrieb benutzt. Der Aufstieg war steil.
Kurz vor jeder Bergspitze, dachten wir, wir hätten es geschafft, aber da kam der nächste Berg, der noch
steiler schien. Wir schnauften ganz schön, kamen langsam voran, aber hielten durch. Wir wurden von
vielen schnelleren Wanderern und Spaziergängern überholt.
Nach fast drei Stunden waren wir oben auf 2.100 m. Es war bezaubernd, ringsum die Spitzen der 2½-Tausender zu sehen. Wir liefen
durch eine Ginsterheide, aber im Sommer ist sie lediglich grün; im Frühjahr muss die Natur hier zauberhaft sein. Und es gibt
bestimmt viel mehr Tiere. Wir trafen nur auf Eidechsen und Heuschrecken. Und dann sahen wir die Laguna Grande, die unser Ziel
war. Sie befand sich etwa 200 m unter uns. Dahinter erhob sich der Circo de Gredos, ein Halbkreis von Bergen am Talschluss. Der
Abstieg zum See dauerte noch einmal eine ¾ Stunde. Im normalen Wanderschritt benötigt man laut Ausschilderung für die 4 km 2½
Stunden. Als wir endlich nach 3¾ Stunden am Wasser ankamen, waren wir ziemlich fertig. Der Himmel zog sich langsam zu und die
Temperatur war ziemlich niedrig; wir befürchteten, dass es noch zu regnen anfängt. Also machten wir uns nach einer kurzen Rast auf
den Rückweg. Zum Refugio an der Laguna Grande hätten wir sicherlich noch einmal ½ Stunde benötigt. Den steilen Aufstieg zum
Circo schafften wir ohne Pause in 1 Stunde - 300 Höhenmeter. Dann wussten wir, dass es hauptsächlich nur noch bergab ging. Nun
konnten wir uns wieder besser auf unsere Naturbeobachtungen konzentrieren. Und wieder entdeckten wir die Steinböcke. Zuerst
dachte ich, oben auf dem Felsen sitzt ein Mann mit Hut, aber durch das Fernglas betrachtet, wurde der Hut zu zwei Hörnern, die
einem Steinbock gehörten. Später auf der Plataforma trafen wir die Münchner (Wahlspanier) wieder, denen wir auf dem Circo
begegnet waren. Die beiden sahen zwar keine Steinböcke, dafür aber Gämsen.
Bis zur Plataforma zurück brauchten wir "nur" 3 Stunden. Wir waren fix und fertig, aber die Tour war auch schön. Wir beschlossen,
noch eine Nacht hier zu übernachten. Und so kam das stolze Auto-Tagespensum von 2 km zustande: 1 km zum Essensplatz und 1
zurück!
Ávila
Morgens waren es nur 11 °C. Aber dafür befinden wir uns auch auf 1.770 m Höhe. Nach einem schönen Frühstück machten wir uns
auf den Weg nach Ávila (1.130 m NN, 50.000 Ew.).
Die letzte Provinzhauptstadt auf unserer Reise ist gleichzeitig die höchst gelegene Stadt Spaniens; sie befindet sich in 1.130 m Höhe
auf einer Bergkuppe des iberischen Zentralgebirges. Um ihre Eroberung Ávila so gut wie möglich vor neuen Zugriffen zu schützen,
ließen die kastilischen Könige die Stadt mit einer 3 m dicken, 12 m hohen und 2,5 km langen Mauer befestigen. Diese gewaltige
Stadtmauer, von 1090-1099 erbaut, umschließt das historische Zentrum noch heute und ist die besterhaltene Stadtmauer Spaniens.
88 halbrunde Türme im Abstand von 20 m verleihen der Verteidigungsanlage einen imposanten Anblick. Neun Tore gewähren Einlass
in den Stadtkern. Ansonsten waren wir von der immer so hoch gepriesen Stadt etwas enttäuscht.
Am südlichen Teil der Stadtmauer stand das Geburtshaus der Hl. Teresa von Ávila. An dessen Stelle wurde 1638 die Kirche des sich
dahinter anschließenden Klosters der Unbeschuhten Karmeliterinnen, der Convento de Santa Teresa de Jesús, erbaut. Die
verhältnismäßig schlichte barocke Fassade zeigt über dem Portal eine Statue der Heiligen. Sehenswertester Raum im Inneren ist
das Geburtszimmer der Teresa, das zu einer überschwänglich ausgestatteten Barockkapelle umgestaltet wurde. Im Zentrum des
Altars steht eine reich verzierte, mit Schmuck und kostbaren Stoffen behängte Statue der Mystikerin, die der Künstler Gregorio
Fernández im Moment der Kreuzesvision darzustellen versuchte.
Am Ostrand der Altstadt, innerhalb des Mauerrings, steht die mächtige Catedral de San Salvador, 1091 begonnen, aber erst im 14.
Jh. vollendet. Der Chor ist Teil der Stadtbefestigung. Von den beiden Türmen der Westfassade, wo sich der Haupteingang befindet,
ist nur der aus dem 14. Jh. stammende nördliche ausgebaut. Wir sahen das Bauwerk hauptsächlich von außen. Auch hier verlangte
man Eintrittsgebühr. Wenn wir alle Eintritte bezahlt hätten, wären sicherlich allein dafür 500,- DM zusammen gekommen.
In der Markthalle besorgten wir uns einige Lebensmittel bevor wir die Stadt verließen.
Auf dem Rückweg nach Madrid
Unsere Weiterreise in Richtung Madrid unternahmen wir wieder auf Nebenstraßen. Dort kamen uns ′zig holländische Wohnmobile
entgegen. So viele Wohnmobile haben wir weder im Mai noch jetzt insgesamt gesehen. Wir nehmen an, dass es sich um eine
Pilgergruppe handelte, die per Wohnmobil unterwegs war.
Am Río Alberche fanden wir eine schöne Stelle, an der man im Fluss baden konnte. Da das Wetter super schön und sonnig war,
wollten wir ein letztes Mal baden gehen. Es war nur ein spanisches Anglerpaar hier; er angelte, sie sonnte sich. Wir suchten uns ein
Plätzchen etwas abseits von den beiden, damit wir uns gegenseitig nicht störten. Kaum waren wir im Wasser, bemerkten wir, dass
der Mann sich mit seinen Angeln immer gekonnter vor seine Frau stellte, die sich oben ohne sonnte. Dann musste sie sich ein T-Shirt
anziehen und kurz darauf sind die beiden abgezogen. Da nun das schöne Plätzchen auf dem Felsen mitten im Fluss frei war,
siedelten wir um. Das Schwimmen durch den Río Alberche war gar nicht so einfach bei der Strömung, aber wir haben es geschafft.
Nach etwa 1½ Stunden setzten wir unsere Reise fort, die uns noch einmal durch die Sierra de Gredos führte. (Anm.: Ein Teil dieser
Strecke war später Bestandteil einer Etappe der Vuelta.) Wir übernachteten nach 226 Fahrkilometern in Cerberos.
In einer schönen Dehesa frühstückten wir ausgiebig. Morgens um 8 Uhr hatten wir 17 °C und herrlichsten Sonnenschein. Mittags
waren es dann auf nur 600 m Höhe 31 °C. Bertram fand auf seiner Pirschtour in der Dehesa die Schrotpatronen, mit denen die selbst
ernannten Freizeitjäger die Blauelstern, Wiedehopfe und andere Vögel zum Vergnügen abschießen.
Kurz bevor sich der Kreis unserer Rundreise bei El Escorial schloss, überquerten wir die Grenze zur
Region Madrid
Wir starteten nun einen zweiten Versuch, Valle de los Caídos zu sehen. In den Jahren 1940 - 1958 ließ
General Franco ca. 13 km nördlich von El Escorial ein Totenmal für die auf seiner - faschistischen - Seite
Gefallenen des Spanischen Bürgerkriegs erbauen, das "Monumento Nacional de Santa Cruz del Valle de los
Caídos", das "Tal der Gefallenen". Wir mussten je 800(!) Pts. Eintritt bezahlen - eine Frechheit. Das
Eingangstor zum Gelände liegt mehrere Kilometer unterhalb der eigentlichen Gedenkstätte, die wir über eine
Bergstraße erreichten. Schon auf halber Strecke erblickten wir von einer Brücke aus den von einem 150 m
hohen Kreuz überragten Eingangsbereich der Basilika. Die gesamte Anlage ist in ihrer erdrückenden
Monumentalität ein Paradebeispiel für die architektonische Gigantomanie des Faschismus. Über dem
Eingang zur in den Fels gesprengten Basilika sahen wir eine riesige Pietá von Juan de Ávalos. Nach der
"kleinen" Eingangshalle betraten wir das immense, 262 m lange Hauptschiff der Basilika. An den Wänden hängen Kopien Brüsseler
Wandteppiche, in kleinen Kapellen befinden sich Marienbilder, allesamt den Krieg verherrlichend. Die 42 m hohe Vierungskuppel ist
mit Mosaiken geschmückt. Zwischen Altar und Chor befindet sich das Grabmal des Diktators Francisco Franco, vor dem Altar das
des Gründers der faschistischen Falange-Partei Spaniens, Primo de Rivera. Rechts vom Altar sind in Gewölben unter der Capilla de
los Caídos 40.000 Särge mit den nationalistischen Gefallenen des Bürgerkrieges aufgestellt. Der "Pfarrer" bereitete gerade eine
neue Messe vor. Die Orgel spielte dazu ein "böses" Lied; wir kommen nicht auf den Namen, es wird jedoch oft in Vampir- und
Horrorfilmen gespielt. Es war richtig gruselig. Als wir die Basilika verlassen hatten, sahen wir die Besucher der Messe. Ich sagte
noch zu Bertram: "Die gehen hier in die Messe wie andere Spanier zur Hochzeit, nämlich in Abendkleidern." Doch wir wurden kurz
darauf aufgeklärt: Ich sah eine Brautjungfer und die Herren mit einer weißen Nelke im Knopfloch, das Zeichen der Faschisten. Wie
kann man nur an einem solchen Ort heiraten? Aber die spanische Oberschicht ist nach wie vor großenteils noch immer faschistoid!
Die Seilbahn zum Fuße des 150 m hohen Kreuzes war außer Betrieb. Aber wir mussten ja nicht unbedingt hinauf. Hinter dem Berg,
am anderen Ende der Basilika, steht der ältere Teil der Anlage, die Philipp II.(?) erbauen ließ. Heute wird es als Herberge für
spezielle und ausgewählte Leute genutzt.
Wir hatten noch einen halben Tag Zeit, bis zu meinem Abflug. Wir wollten deshalb den Palast El Pardo nahe Madrid besuchen. Aber
erst hatten wir Schwierigkeiten, in dem Straßengewirr ohne Beschilderung die richtige Abfahrt zu finden. Dann war Samstag und am
Wochenende finden überall Volksfeste statt. So auch in El Pardo, so dass wir nicht zu den Sehenswürdigkeiten gelangten. Also
machten wir uns auf den Weg in Richtung Flughafen Madrid.
Wir suchten das Plätzchen am Río Jarama bei Belvis de Jarama auf, wo Bertram vor drei Wochen auf meine Ankunft gewartet hat.
Ich sortierte meine Sachen und die, die ich mit nach Deutschland nehmen wollte. Wir machten uns ein letztes Mal ein schönes
Abendessen. Aber wir waren wieder nicht allein. Zweimal kam ein und derselbe Mann vorbei. Dann noch zwei Radfahrer. Und dann
eine riesige Herde Schafe, die zum Teil sehr neugierig waren. Wir übernachteten dann - nach 187 Fahrkilometern - in Barajas, dem
Ort, der sich direkt am Flughafen befindet. Nachts waren es noch 26 °C. Man merkt, dass man in der Zentralebene ist.
Auf Wiedersehen...
Wir standen schon um 6 Uhr auf. Es war mit 20 °C der wärmste Morgen im ganzen Urlaub. 25 Minuten später fuhren wir zum
Flughafen, haben aber den Weg nicht gleich gefunden. Dann standen wir auf dem falschen Terminal. Wir dachten, der Abflug erfolgt
von Terminal T-2, wo ich damals ankam. Doch wir mussten zu T-1 laufen; ein elend weiter Weg und wir kamen mit total
ausgetrocknetem Hals dort an. Ich erwischte für beide Flüge (Madrid-München; München-Dresden) Fensterplätze. Bertram wollte
versuchen, meinen Abflug zu filmen. Er wollte noch zwei Wochen bleiben und die Region Aragón abklappern, bevor er mit dem VW-
Bus zurück nach Deutschland kommt.
Um 7.55 Uhr wurde unser Flugzeug abgedockt; ich konnte von meinem Fenster aus einen herrlichen Sonnenaufgang beobachten.
Um 8.10 Uhr hoben wir dann ab. Es lag Dunst über Madrid, aber ich konnte unseren gestrigen Standplatz entdecken. Die Flugroute
in 10.700 m Höhe: Madrid - Pamplona - Toulouse - Lyon - Genf - Zürich - Bodensee/Kempten - München. Ich habe während des
Frühstücks die Pyrenäen wunderbar gesehen; danach wurde es sehr bewölkt. Erst über den Alpen klarte es wieder auf. Herrlich, wie
die Bergspitzen über die Wolken hinaus guckten. Der Mont-Blanc war wie immer mit viel Schnee bedeckt. Dann der herrliche
Bodensee... und wir befanden uns schon im Landeanflug auf München. Wie klein das Olympiastadion war! Die Flugzeit betrug 2½
Stunden.
Um 11.15 Uhr hatte ich in München Anschluss nach Dresden. Wir flogen mit einer kleinen Maschine von Augsburg Airlines, die im
Auftrag der Lufthansa unterwegs war. Es war ein eigenartiges Gefühl; nie zuvor bin ich mit einem Propellerflugzeug geflogen - war
ganz schön laut.
In Dresden gab es keinen Temperaturschock: hier war das schöne Wetter angekommen und die Temperaturen wie in Madrid: um die
30 °C.
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