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Reisebericht
Teil 3: Chile
Sonntag , 4. November 2001 (Moquegua - Arica, 252 km)
Nach den Grenzformalitäten setzten wir unsere Fahrt entlang des Pazifiks fort. Und wir hatten auch keinen Garúa-Nebel - der hier
Camanchaca heißt - mehr, nur noch blauen Himmel und Sonnenschein. Und ich konnte das alles genießen, denn auf wundersame
Art hatte sich meine Sonnenallergie verzogen! Von Chacalluta aus sind es noch 2.091 km bis zur Hauptstadt Santiago de Chile, wo
wir in einer Woche, am nächsten Sonntag, sein sollten.
Gegen 14.15 Uhr erreichten wir die 56 km von Tacna entfernte Freihafen-Stadt Arica [NN, 160.000 Ew.], die 1570 gegründete
fünftälteste Stadt Chiles. Die blühende Wüstenmetropole im äußersten Norden Chiles ist von Sanddünen eingerahmt und liegt am
Fuße des Berges El Morro, den die Chilenen im Salpeterkrieg in einer ½ Std. erstürmten und der bis heute das Flaggen gekrönte
Wahrzeichen blieb. Arica ist mit 350 Sonnentagen/Jahr eine der sonnigsten Städte der Welt und gehört zu den regenärmsten des
Südkontinents. Nur per Rohr kommt das Trinkwasser aus den Anden. Hier herrschen das ganze Jahr über angenehme
Temperaturen. Arica ist ein wichtiger Pazifik-Hafen und Verkehrsknotenpunkt. Schon der erste Eindruck der Stadt war völlig
verschieden von dem, was wir aus Ecuador und Perú gewohnt waren; man merkte, dass hier ein anderes System herrschte! Der Bus
setzte uns in der Innenstadt ab, da Josef einiges zu erledigen hatte.
Die sehr hübsche kleine farbige Metallkirche Iglesia de San Marco, erbaut 1875 nach Plänen von Gustave
Eiffel, war leider geschlossen; von außen ist die Fertigbau-Eisenkonstruktion nicht zu sehen. Die
Fußgängerzone Calle 21 de Mayo war zum Sonntag wie ausgestorben; sogar die Geldwechsler machten
gerade Mittag, wo wir doch dringend Geld brauchten. Glücklicherweise erwischten wir auf dem Flohmarkt
doch noch einen. Mit Jürgen, der 700 US$ getauscht hatte, gingen wir einheimisch essen, da es ihm auch
nicht geheuer war, alleine soviel Geld herumzutragen. Anschließend machten wir noch einen kleinen
Rundgang zum alten Zollgebäude Ex Aduana von 1874 und warteten dann auf der parkartigen Palmen
bestandenen Plaza Colón, bis uns der Bus um 15.30 Uhr abholte. In einem Supermarkt holten wir
Picknickverpflegung für morgen; leider konnten wir noch keinen Großeinkauf machen, da wir übermorgen noch eine innerstaatliche
Grenze passieren mussten, über die auch kein Pflanzenmaterial gebracht werden darf.
Nun besuchten wir noch das Museo Arqueologico in San Miguel de Azapa [830 Ew.], 12 km östlich von Arica. Eigentlich sollten wir
dafür 1½ Std. Zeit haben, aber es war nur noch 25 min. geöffnet, denn in Chile herrscht Sommerzeit, was uns und auch unserem
Reiseleiter bisher entgangen war! Im Museum werden 5 der 99 ältesten Mumien der Welt gezeigt, die von der Chinchorro-Kultur
stammen.
Am Campingplatz angekommen, gab ich nach dem Abendessen anlässlich meines Geburtstages nachträglich eine Runde "Gato
Negro" für alle aus; nur Josef streikte - als "Weinkenner" mochte er keinen Tetra-Pack-Wein trinken. Ich gab ihm den noch im Koffer
befindlichen Flaschenwein - und den verdünnte er doch tatsächlich mit Wasser (!). Soviel zum Thema Weinkenner.
Montag, 5. November 2001 (Arica - Lauca Nationalpark - Arica, 381 km)
Durch die Zeitumstellung frühstückten wir ab jetzt im Dunkeln. Um 6 Uhr waren es, genau wie die ganze Nacht, 19 °C. Um 7 Uhr
fuhren wir auf der Straße 11-Ch (I Region 11) in den PARQUE NACIONAL DE LAUCA. Langsam, sehr langsam, schraubte sich
unser Bus in die Höhe. Auf 750 m NN war die Straße auf einer Länge von ca. 100 m beim letzten Unwetter von einem reißenden
Fluss weggespült worden. Auf etwa 1.100 m NN erreichten wir die Obergrenze des Camanchaca-Nebels. Es war ein märchenhafter
Anblick: die von der Sonne angestrahlten kahlen Sandhänge, der kitschig blaue Himmel und der sich langsam auflösende Nebel im
Tal. Doch bevor wir dorthin kamen, schlief der ganze Bus - einschließlich Reiseleiter.
Das Lauca-Gebiet hat eine Größe von 1.380 km², wurde 1959 zum Naturreservat und 1970 zum National Park erklärt. 1981 gewann
das geschützte Gebiet internationales Interesse, als es zu einem Teil der von der UNESCO gegründeten Naturreservate wurde.
Die Temperaturen betragen tagsüber 12-20 °C, nachts sinken sie auf bis zu -22 °C. Davon zeugten auch heute die Eisränder der
kleinen Bäche. Zwar gehört der Nationalpark zum UNESCO-Welterbe der Menschheit, dennoch droht seine Zerstörung durch
Erzabbau, denn der Boden hier ist reich an verschiedenen Metallen.
Es dauerte ewig, bis wir zu unserem Ziel kamen. Unterwegs machten wir glücklicherweise mehrere Fotostopps. Besonders
eindrucksvoll sind die von 1.700-3.000 m NN wachsenden, 3-5 m hohen Kandelaber-Kakteen (Browningia candelaris), deren äußerst
stark bedornter Stamm einen Durchmesser von bis zu 50 cm erreicht.
Beim km 74 erreichten wir eine "Magnetische Zone": hier sollten gefüllte Wasserflaschen bergauf rollen!
Doch angeblich enthielt unser Wasser nicht genügend Eisen; die Flasche bewegte sich nicht, jedenfalls
nicht bergauf. (Anm. Bertram: "Das ist sowieso Humbug. Eisen in gelöster (ionisierter) Form ist sowieso
nicht magnetisch; außerdem enthält auch extrem eisenhaltiges Wasser viel zu wenig Eisen, um durch
magnetische Anziehung überhaupt bewegt zu werden! Ich denke, es handelt sich hier eher um eine
optische Täuschung, wo die Flaschen nur scheinbar bergauf, in Wirklichkeit jedoch bergab rollen.")
Von der Inkafestung Pukará de Copaquilla [3.000 m NN, 12. Jh.] hatten wir eine schöne Aussicht in eine
Felsschlucht. Bei dem hübschen Dorf Socorama [3.060 m NN] trafen wir die ersten
wild lebenden Guanacos (Lama guanicoë). Auf 4.200 m NN war der Boden teilweise mit für die Puna
typischen Llareta-Polstern (Azorella compacta) übersät, hier lebten dann auch die Haustiere Lama (Lama
glama) und Alpaka (Lama pacos). Oberhalb 4.300 m NN kamen schließlich auch die scheuen und seltenen
Vicuñas (Lama vicugna), die kleinste Art der Kamele, hinzu. An einem noch einige Meter höher gelegenen
Geröllhang konnte wir sogar die vorsichtigen, hasenähnlichen Vizcachas (Lagidium viscacia) und eine
Blattohr-Maus (Phyllotis boliviensis) entdecken.
Die smaragdgrünen Lagunas de Cotacotani [6 km2, 4.450 m NN] sind ein System von verzweigten,
miteinander verbundenen Seen mit stark gebuchteten Ufern und vielen Inseln. Im Hintergrund erheben sich die schneebedeckten
Zwillingsberge Nevados de Payachata: Volcán Parinacota [6.350 m NN] und Volcán Pomerape [6.250 m
NN]. Unser Tagesziel war der kobaltblaue Lago Chungará [21 km2, 4.570 m NN]. Hier hielten wir unsere
Mittagspause von 12.50-13.30 Uhr. Zuerst picknickten wir, bzw. ich, denn Bertram machte die Atemnot
durch die dünne Luft zu schaffen; er konnte nicht atmen und essen gleichzeitig. Es ist eine tolle Landschaft
hier oben: die schneebedeckten Vulkane, darunter der Nevado Sajama, mit 6.520 m höchster Berg
Boliviens, der blaue Himmel und das Wasser des Lago Chungará, in dem sich die ganze Szenerie spiegelt.
Dazu die Riesen-Blässrallen (Fulica gigantea) auf ihrem Tauchgang nach Nistmaterial für den Nestbau.
Der Aufenthalt war leider viel zu kurz! Auf dem Rückweg sahen wir den noch aktiven Vulkan Illimani (?) mit
Rauchfahne. Dann leisteten wir einem im Sand des Randstreifens der Straße stecken gebliebenen 4x4-Jeep Freischlepp-Hilfe, der
sich bis zur Karosserie in den Sand gegraben hatte. Da half nur noch Josefs starkes Abschleppseil. Die beiden hilflosen Fahrer
hatten versucht, sich mit Schaufeln freizugraben, aber ihre Lage dadurch nur noch verschlimmert. Auf eine Höhe von ca. 4.300 m
NN entdeckten wir in einer flachen Lagune Anden-Flamingos (Phoenicopterus andinus), ein Vicuña, Anden-Säbelschnäbler
(Recurvirostra andina) und Andengänse (Chloëphaga melanoptera), später dann sogar noch 2 Puna-Nandus (Pterocnemia pennata
tarapacensis). Somit hatten wir die meisten wichtigen Tiere des Lauca-NP gesehen. Lediglich Kondor und Puma blieben unseren
Augen verborgen.
Gegen 18 Uhr kehrten wir mehr oder weniger geschafft nach Arica zurück. Noch ½ Std. Supermarkt und Tanken, dann ging's zum
Campingplatz. Nach Aufbau, Gemüse schnippeln und Kaltdusche (auf fast allen Campingplätzen an der Küste gibt es ausschließlich
Kaltwasser) erfreuten wir uns wieder an Josefs köstlicher Gemüsesuppe.
Dienstag, 6. November 2001 (Arica - Calama, 598 km)
Durch den klaren Sternenhimmel waren es heute morgen nur 14,5 °C. Um 7 Uhr war wie gewöhnlich Abfahrt und wir
verabschiedeten uns von Arica, "La Ciudad del Sol Eterna" - der Stadt der ewigen Sonne. Es lag ein elend langer Fahrtag vor uns;
am Anfang tiefe Cañóns, Anstieg 15 km, 1.000 Höhenmeter, Abstieg 21 km... Dann ging es nur durch das Ödland der Atacama -
schlimmer noch als in Perú.
In Cuya gab es noch einmal eine Obstkontrolle mit Handgepäckdurchleuchtung. Was wir nicht wussten: Bananen, Ananas, Kokos
oder Zitronen hätte man mitnehmen dürfen. (Die strengen Obstkontrollen wurden eingeführt, um sich vor der Einschleppung von
Schädlingen aus anderen Oasen zu schützen.) An der Puente de Chiza gibt es Steinbilder, Geoglifos de Chiza (auch Petroglifos
genannt) - aber aus welcher Zeit? Geoglyphen entstehen durch zwei Techniken: Zum einen gewann man durch Abschaben der an
der Oberfläche oxidierten helleren Grusschicht mit dem freigelegten dunkleren Untergrund die gewünschte Kontrastwirkung, die der
Darstellung Plastizität verlieh. Zum anderen gab es die Mosaiktechnik, bei der die Bildmuster mit dunklen Fels- (meist Lava-) Steinen
gelegt wurden.
Ab km 1.884 auf 1.150 m NN kamen wir durch mehrere Tamarugo-Wäldchen, die sogenannte Pampa del Tamarugal: Hierbei
handelt es sich um einen Wald von kleinblättrigen, stacheligen mit den Akazien verwandten Bäumen (Prosopis tamarugo) auf
grauem Wüstenboden. Das Wasser holen sie sich aus 30-40 m Tiefe. Warum aber sterben teilweise die Bäume trotzdem ab? Wir
wissen es nicht. Bei km 1.787 ist das ganz extrem.
½ Std. Besichtigungszeit gab es für die Oficina Humberstone, eine 1862 unter anderem Namen
gegründete ehemalige Minensiedlung der nahe gelegenen Salpetermine Santa Laura. Die Mine war von
1872 bis 1960 in Betrieb, die Arbeiterstadt wurde also seit 1960 nicht mehr benötigt. Damit ist sie dem
langsamen Verfall preisgegeben. Ein bisschen Atmosphäre von Westernfilmen oder
"Spiel mir das Lied vom Tod" kommt einem in den Sinn, wenn man durch die
Gassen bummelt. Einzig das große Theater wird gelegentlich noch vom Nachbarort
Pozo Almonte [3.963 Ew.] als Kino genutzt. In diesem Ort hatten wir dann auch
eine Stunde Mittagspause.
Um 13.15 Uhr setzten wir unsere Tour fort. Wüste, Wüste und immer wieder verlassene Salpeterminen oder
noch in Betrieb befindliche Jod-Gewinnungsanlagen. Ansonsten eigentlich gähnende Langeweile. Kurzer
Fotostopp bei Trockenrissen im Lehm. Hier in der Atacama-Wüste fällt nur aller 5-
10 Jahre mal etwas Regen. Der Río Loa erreicht als einziger Fluss dieser Wüste in feuchten Jahren das
Meer; sein Wasser bringt er allerdings aus den Anden mit. Beim Fotostopp an der Oase Río Loa maß
Herbert die Temperatur: 36 °C im Schatten, d. h. etwa 50 °C tatsächlich, da es hier keinen echten Schatten
gibt. Vor einer verlassenen Mine befindet sich ein Friedhof aus der 2. Hälfte des 19. Jh. Viele Holzkreuze
waren durch Wind und Wetter schon umgefallen; die wenigen Steingräber zerstört und geplündert. Die
Särge hatten Grabräuber zertrümmert und die Gebeine bekamen jetzt den heißen Wüstenwind zu spüren.
Dafür dass sie schon um die 100 Jahre dort lagen, waren sie erstaunlich gut erhalten.
Bei km 1564 zweigten wir von der Panamericana in Richtung Calama ab. Von nun an begleiteten uns Stromleitungen. Diese werden
für den Betrieb der größten Kupfertagebaumine der Welt, Chuquicamata [2.800 m NN, 13.000 Ew.], benötigt. Die Straße wirkte, als
würde jeder gefahrene km wieder vorne angehängt, es ging schnurgerade durch die Wüste.
Leider sah unser ROTEL-Reiseprogramm keine Besichtigung von "Chuqui" vor, obwohl wir genau daran vorbei fuhren!!
Nebenprodukt des Kupferabbaus ist eine große Menge Molybdän. Die Nordgrube von Chuqui ist 4,5 x 2,5 km groß und fast 1.000 m
tief. Von hier kommen 5 % der Welt-Kupferförderung. Die Truckfahrer der Mine sind die bestbezahlten Arbeiter. 105 gigantische
Lastwagen mit Räder von 3,5 m Höhe fassen jeweils 170-255 t Material. Für den Weg nach oben benötigen sie 2 Std. Die tägliche
Förderung beträgt 500.000 t Kupfer. 300 Mio. Liter Wasser werden täglich für den Betrieb benötigt. Es ist vorgesehen den Betrieb im
Jahre 2005 bei einer Tiefe von 1.299 m einzustellen.
Gegen 18.30 erreichten wir Calama [2.265 m NN, 120.000 Ew.], wo wir noch für ½ Std. einen Supermarkt aufsuchten. Ehe wir
unsere Nudeln Bolognese essen konnten, wurde es 20.30 Uhr; um 21.30 Uhr fielen wir todmüde ins Bett. Da waren es noch 16 °C.
Mittwoch, 7. November 2001 (Calama - Antofagasta, 428 km)
Die Nacht war recht windig, von den Anden kam ein eiskalter Mistral-artiger Fallwind. Daher waren es morgens auch nur 9 °C; alle
saßen dick eingemummelt in ihren Wintersachen beim Frühstück im Freien. Erst 7.30 Uhr ging es heute los. Die Sonne schaffte es
noch nicht, die Luft zu erwärmen.
Und wieder fuhren wir durch die kahle Wüste bis wir um 9.45 Uhr San Pedro de Atacama [2.440 m NN, 950 Ew.] erreichten, das am
Rande des Großen Salzsees (Salar de Atacama [2.305 m NN], mit 3.000 km² fünfmal so groß wie der Bodensee), zu Füßen des
Doppelvulkans San Pedro [6.160 m NN] und San Pablo [6.120 m NN] liegt. (Das ca. 15 km davor in die Cordillera de la Sal
(Salzkordillere) eingravierte Valle de la Luna (Mond-Tal) mit seinen bizarren Farben und Formen war auch nicht im Programm
vorgesehen, also hatten wir natürlich auch dafür keine Zeit!)
Wir besichtigten die 250 Jahre alte Kirche Iglesia de San Pedro, die im 17. Jh. aus Adobe-Ziegeln erbaut
wurde. Das Dach ist aus Kakteen-Holz gefertigt und mit Lama-Leder verzurrt. Die 4 großen Fenster werfen
ein sanftes Licht auf den erstaunlichen Altar und Retablo aus gemeißeltem Stein, mit seinen 3 Reihen
bunter Nischen und schönen Heiligenbilder, die beherrscht werden vom beeindruckenden San Pedro mit
Vollbart und goldener Bischofsmütze. Aus einer Fernseh-Reportage erfuhren wir wenige Wochen nach
unserer Rückkehr, dass die Heiligenbilder, die wir gesehen haben, nur einfache Kopien waren, da die
Originale durch Brandstiftung völlig zerstört worden sind. Die Brandstifter hat man nie gefasst. Doch die
Werte, die sie zerstört haben, sind unbezahlbar. Natürlich wird dieser Vorfall und seine Folgen nirgendwo
erwähnt - sonst würden die so dringend benötigten Touristen ausbleiben.
Anschließend hatten wir genügend Zeit zum Besuch des international bekannten und reich ausgestatteten archäologischen Museo
Arqueológico R. P. Gustavo le Paige de Walque zu besichtigen. Das Museum zeigt die 11 Mio. Jahre alte Geschichte der
Atacameña-Kultur - von ihren Anfängen, über die Inka bis hin zum Eindringen der Spanier anhand von 380 archäologischen
Exponaten. Weltberühmt sind die sehr gut erhaltenen alten, präkolumbianischen Mumien indianischer Frauen, besonders die aus
dem Jahre 1200 stammende "Miss Chile". Durch die extreme Trockenheit sind die entdeckten Körper der Atacameños nicht verwest,
sondern mumifiziert und dadurch noch gut erhalten, z. T. sind Haut, Wimpern und Haarreste zu sehen. Eindrucksvoll auch die Mumie
eines kleinen Kindes, das anscheinend die vermutlich wegen eines ungewöhnlichen Schönheitsideals übliche Deformation seines
Kopfes nicht überlebt hatte, ein in einer Urne beerdigter Patron, eine 1.700-1.200 Jahre alte Mumie aus der Tiwanaku-Zeit. Ein Teil
des Museums widmet sich der Inka-Herrschaft und deren Sonnenkult. Die größte Ausdehnung des Inka-Imperiums reichte von der
Nordgrenze Ecuadors bis hinunter nach Santiago de Chile. Außerdem beherbergt das Museum auch eine Nachbildung des
Arbeitszimmers von PADRE LE PAIGE, dem Gründer des Museums.
Um 11.45 Uhr fuhren wir zurück nach Calama. Unterwegs picknickten wir mitten in der Wüste von 12.20-12.50 Uhr. Bertram war die
Zeit zu schade, sie mit Essen zu "vergeuden". Vielmehr nutzte er die seltene Gelegenheit, endlich mal ohne lärmende Horde im
Nacken die Stille der Wüste zu genießen und dabei auch noch manches Kleinod zu entdecken. Denn selbst diese trockenste Wüste
der Welt lebt - auch wenn man das beim schnellen Durcheilen nicht so leicht sehen kann. Von Calama aus ging es auf der Straße
CH-25 zurück zur Panamericana. Dabei kamen wir an vielen ehemaligen Salpeterminen vorbei. Bei km 85 überholten wir einen
Güterzug mit drei Loks und vielen Kesselwaggons, der von Chuquicamata zur Küste fuhr. Später hielten wir an, um den Zug
fotografieren zu können. In Chile gibt es nur wenige regelmäßig befahrene Personenzugstrecken. Wenn man einen Zug durch die
Wüste fahren sieht, ist es meist ein Güterzug. Dieser Zug in Richtung Antofagasta war ca. 200 m lang. Es dauerte eine knappe
Minute, bis er an uns vorübergezogen war. Die Panamericana erreichten wir wieder bei deren km 1.460.
In Baquedano [1.035 m NN, 514 Ew.] gab es wieder eine Polizeikontrolle; danach telefonierten Jürgen und Josef wegen der gestern
kaputt gegangenen Autobatterie, die unbedingt erneuert werden musste. Während der ganzen Zeit standen wir nutzlos rum, dabei
hätten wir uns in der Stadt den antiken Bahnhof und das Freilichtmuseum anschauen können - aber das ROTEL-Reiseprogramm...!
Um 16.30 Uhr erreichten wir Antofagasta [NN, 230.000 Ew.], eine der wenigen Hafenstädte für Ozeanschiffe an dieser unruhigen
Pazifikküste, 1850 von einem Bolivianer gegründet. Hier begann 1879 der Salpeterkrieg. Mit dem Friedensvertrag von 1884 musste
Bolivien die Hafenstadt an Chile abtreten. Heute ist Antofagasta Chiles fünftgrößte Stadt. Von 17.30-18.00
Uhr hatten wir wegen der Batterie nochmals Zwangspause in einer einem Deutschstämmigen gehörenden
Mercedes-Werkstatt. Anschließend fuhren wir auf der insgesamt 20 km langen Uferstraße ins
Stadtzentrum, wo wir von 18.10-18.30 Uhr auf der Plaza Colón verweilen konnten, wo eine Nachbildung
von Big Ben mit dessen Glockenschlag steht, ein Geschenk der Briten an die Stadt. Danach suchten wir
noch für ½ Std. einen Supermarkt auf. Damit es heute nicht schon wieder so spät mit dem Essen würde,
verzichteten wir aufs Gemüse schnippeln und Sepp bereitete uns eine köstliche Dosen-Suppe.
Anschließend saßen wir noch beim Wein mit Hamburg und Wien zusammen.
Donnerstag, 8. November 2001 (Antofagasta - Caldera, 499 km)
Wie schön, dass wir heute erst um 8 Uhr abfuhren, so konnten wir auch mal länger ausschlafen. Es waren 18 °C und der Himmel
vorerst stark bewölkt, was sich aber bald änderte. Wir überquerten die Küstenkordillere und bewegten uns auf etwa 1.000 m NN
weiter in Richtung Süden. Die Wüste war immer noch recht langweilig, sodass fast alle die Augen schlossen und dösten. Erst nach
mehreren Stunden wurden die Hänge bunter - wir waren in der Sierra Colorada angelangt. Teilweise wird auch außerhalb der Minen
geschürft; dafür werden mit kleinen weißen Steinpyramiden Claims abgesteckt. Auf der Weiterfahrt sahen wir auch viele von
Wüstenlack überzogene Felsen. Dabei handelt es sich um Mangan-Ausscheidungen, verursacht durch große Hitze und hohe
Temperaturdifferenzen.
An der Küste hatten wir in Chañaral [NN, 12.000 Ew.] von 13.45-14.45 Uhr Mittagspause. Hier wird u. a. auch Kupfer für den Export
verladen. Anschließend ging es eine malerische Küstenstrecke entlang: Vogelfelsen mit Pelikanen, Kormoranen und Tölpeln,
Urgestein-Hänge mit Kakteen. Und wieder die vielen Gräber der Unfalltoten entlang der Panamericana. Menschen, die bei Unfällen
auf der Pana ums Leben kommen, werden an Ort und Stelle beerdigt. Daher sieht man überall solche Grabstellen - manchmal auch
richtige Denkmäler... Eines der Gräber schauten wir uns genauer an: Ein Doppelgrab zweier Frauen, Jahrgang 1957/58 mit Todestag
24.07.2001 - ein Holzkreuz, daneben ein Schrein mit den letzten Wünschen von Ehegatten, Eltern, Kindern, Nichten, Neffen,
Geschwistern und Enkeln.
Gegen 17 Uhr kamen wir kurz hinter Caldera [NN, 11.600 Ew.] am Campingplatz direkt an der Bahía Inglesa an. Früher hieß sie
Puerto de Inglesa, weil ein Engländer hier mal ein spanisches Schiff gekapert hatte und die Bucht besetzte. Vor den Grillwürsten
noch ein kurzer Strandspaziergang und anschließend lustiges Beisammensein mit den Wienern und Hamburgern. Wir waren
übrigens fast die einzigen Gäste auf dem Platz - die Saison beginnt erst Mitte Dezember.
Freitag, 9. November 2001 (Caldera - Guyanaqueros, 452 km)
In der Nacht wurde es wieder mächtig kalt; es war der Wind, der uns noch kälter fühlen ließ. Und der Lärm der Nachtreiher, die auf
dem Baum, unter dem unser ROTEL stand, brüteten, ließ uns manchmal wach werden.
Auch um 6 Uhr morgens zog es noch immer, wir waren erst kurz zuvor wach geworden. Es waren nur 8 °C. Als das ROTEL später
zusammengebaut war, sagte Sepp, bei uns hinge noch was aus dem Fenster. Es war der Temperaturfühler des mitgebrachten
Thermometers. Jürgen und Sepp klappten den vorderen Teil des Hängers noch einmal auf und ich kroch in die Koje, um den Fühler
einzuholen.
Um 7 Uhr ging's los; eine Stunde später waren wir in Copiapó [400 m NN, 98.000 Ew.], was "Grünes Land"
bedeutet. Hier steht auf dem Campus Norte der Universität von Copiapó die erste Lok Chiles, zugleich die
dritte Südamerikas. Sie wurde 1850 von den Gebrüdern Norris in Philadelphia (USA) gebaut und am
25.12.1851 hier eingeweiht. Zuvor gingen nur 1850 in Guayana und Mai 1851 die Strecke Lima-Callao in
Betrieb. Der an der Uni ausgestellte Zug umfasst Lokomotive, Kohle- und 3 Passagier-Wagen (1., 2. und 3.
Klasse). Das Wetter war selbst für die Einheimischen unangenehm kalt; die Studenten saßen mit Mütze
und Handschuhen auf den Parkbänken, manche hatten sich in Decken eingehüllt. Der Küstennebel war
heute außergewöhnlich dicht und sollte sich erst in höheren Lagen auflösen. An die einstige Blütezeit von
Copiapó (1832 wurde hier von einem Maultiertreiber fast reines Silber gefunden; aber bereits 1875 waren die Silberminen erschöpft)
erinnern heute nur noch die goldhaltiges Gestein mahlenden trapiches und Bergwerke wie Mantos de Oro an die Aura von einst.
Um 8.15 Uhr setzten wir unsere Reise fort. Bei km 796 hielten wir an einem Fahrer-Denkmal [850 m NN], wo vor 20 Jahren eine
ROTEL-Gruppe einen Baum gepflanzt hatte. Leider war dieser durch ein Feuer mit angekokelt worden und sah dadurch etwas
mickrig aus.
Von 10.15-10.30 Uhr Kaffeepause und Tanken in Vallenar [380 m NN, 43.000 Ew.]. Seit Caldera fuhren wir durch Halbwüste.
Zwischen den Grasbüscheln lugten ab und zu Kakteen hervor. Doch mit Wunsch-Fotostopps sah es bei dieser Reise mau aus. Der
Busfahrer Sepp bestimmte, wo und wann wir hielten. Auf den 2.191-2.510 m hohen Gipfeln im Osten (links von uns) tauchten
Sternwarten auf. Sie bilden das größte Observatorium der südlichen Hemisphäre. Die nördliche - Las Campanas - wurde von den
USA errichtet, die südliche - La Silla - von der ESO (European Southern Observatory). La Silla, die z. Zt. leistungsfähigste
Sternwarte der Welt, ist seit 1976 mit einem 3,6-m-Spiegelteleskop in Betrieb; 1988 kam noch ein hochmoderner 3,5-m-Spiegel
hinzu.
In einer miesen Posada (eigentlich Trucker-Lokal, aber dieses aus gutem Grund ohne Trucker!) hatten wir von 11.30-12.30 Uhr
Mittagspause. Anstatt bei einer Posada zu halten, wo viele Trucks davor stehen, hielt ROTEL bei einer touristisch aufgemachten, wo
man sich zunächst weigerte, eine Cazuela zu servieren, weil es angeblich keine Menüs gab. Natürlich gab es die doch, aber nur für
vielleicht doch hier rastende Trucker und Einheimische, nicht für die "reichen" Gringos (wie alle Weißen in Südamerika genannt
werden) - die sollten doch teuer à la carte essen!
Später kamen wir wieder ins richtige Kakteenland. In Chile gibt es 170 verschiedene Arten, 145 davon kommen endemisch nur in
Chile vor.
Von 15-17 Uhr hielten wir uns in der Oasenstadt La Serena [50 m NN, 110.000 Ew.] auf, einer kleinen, aber charmanten, ab 1544 in
Terrassen angelegten alten Stadt mit hübschen Innengärten und bunten alten Kacheln. Ihr Name bedeutet "Die Heitere" und sie soll
eine der schönsten chilenischen Städte sein. La Serena wurde 1544 gegründet und versprüht heute - dank des ehemaligen
chilenisches Staatspräsidenten González Videla (1946-1952) - andalusischen Charme.
Die Plaza de Armas war wunderschön, auch die Kathedrale von 1627 mit ihren weißen Kalksteinmauern
beeindruckte uns sehr. Weil Bertram die Dia-Filme ausgingen, mussten wir unbedingt hier für Nachschub
sorgen, was wegen der Siesta nicht ganz einfach war. Auf einem kleinen Straßenmarkt feilschten wir noch
um einen Regenstab, den Bertram von 3.500 CLP (ca. 5 US$) auf 2.500 CLP (ca. 4 US$)
herunterhandelte, während ich einen Hut für 2.500 CLP statt 3.200 CLP erwarb. Danach setzten wir uns in
den Patio (Innenhof) des Cafés "EL PATIO" und tranken Eisschokolade. Das war richtig gemütlich und
schön - endlich mal kein Stress.
Auf dem Weg zum Campingplatz in Guanaqueros [NN, 1.100 Ew.], der direkt am Meer lag, kamen wir auch
an den Hotelburgen von La Serena vorbei - das erinnerte sehr an die Bausünden am Mittelmeer, z. B. Benidorm (Spanien) - dieser
Ortsteil wird treffenderweise auch Nueva Benidorm genannt. Kurz vor 18 Uhr waren wir am Ziel, bauten das ROTEL auf,
schnipselten Gemüse und wanderten dann am Strand entlang. Es war eine schöne Bucht mit lauter kleinen Fischerbooten, das
Seebad Guanaqueros lag am benachbarten Uferhang. Diesen Abend tranken wir keinen Wein mit, denn manchmal, so wie heute,
kamen wir uns wie das fünfte Rad am Wagen vor bei den Hamburgern und Wienern, was vor allem der Hamburgerin zu verdanken
war.
Samstag, 10. November 2001 (Guanaqueros - Concón, 428 km)
Nach einer kalten, sternenklaren Nacht waren es morgens nur 7 °C. Alle froren, als wir um 7 Uhr den Campingplatz verließen. Fast
die ganze Zeit fuhren wir auf einer neu gebauten Autobahn; umso schwieriger waren Fotostopps. An einer Bushaltestelle nutzten wir
die Chance, einen ganzen Kakteenwald mit Chilenischem Säulenkaktus (Trichocereus chilensis) abzulichten, dessen weißgelbliche
Blüten leider noch nicht ganz geöffnet waren. Auffällig waren die vielen roten Beeren, die an kurzen Stielchen zwischen den Stacheln
hingen und zu der ausschließlich auf Säulenkakteen schmarotzenden Kakteenmistel (Phrygilanthus aphyllus) gehörten.
Um 10.30 Uhr erreichten wir Los Vilos [NN, 9.400 Ew.], wo wir 20 min. Kaffeepause machten. Auf dem weiteren Weg zweigten wir
bei Catapilco von der Autobahn ab und fuhren über Puchuncavi und Concón Richtung Viña del Mar. Dabei hatten wir eine Umleitung
über Reñaca Alto und kamen so in den Genuss eines Blickes auf den höchsten Berg ganz Amerikas, den Aconcagua [6.960 m].
In Viña del Mar [NN, 304.000 Ew.], der wohl modernsten und elegantesten Stadt des Landes und
gleichzeitig international bekanntes Seebad, machten wir von 13.50-15.20 Uhr Mittags- und
Besichtigungspause. Bertram und ich wanderten durch die Fußgängerzone und aßen im "PADDY'S" eine
parillada (Fleisch vom Holzkohlegrill) für je umgerechnet 15,- DM. Bevor wir weiterfuhren, statteten wir
dem Casino einen Kurzbesuch ab und trafen Sepp mit dem Bus an der Uferpromenade wieder. Viña del
Mar entstand vor ca. 120 Jahren aus einem Weingarten am Meer und mauserte sich bis heute zu einer
richtigen Großstadt, die ein vergleichbares Flair wie Nizza oder Monaco aufweist: Parks und Promenaden,
3 alte Paläste von Bankiers und Salpeterkönigen (Vergara [1910], Carrasco [1912] und Rioja [1906]),
Kurhotels, Ladenreihen, Cafés, Blumenuhr und Spielcasino. Seit 1855 gibt es eine Eisenbahnverbindung zur Nachbarstadt
Valparaíso [NN, 274.000 Ew.]. Wir fuhren aber mit unserem Bus dorthin. In dieser Industriestadt herrschte allerdings ein chaotischer
Verkehr und auch die ganze Atmosphäre war völlig andersartig als in Viña. Im November/Dezember an einem blauen Golf gelegen,
dämpft eine leichte Sommerbrise die Höchsttemperatur auf 30 °C, während im Winter, wenn die NW-Winde tosen, das Wärme
speichernde Meer für eine Untergrenze von minimal -1 °C sorgt. Valparaíso war einst der wichtigste Hafen Chiles. 1536 landete hier
das erste spanische Schiff mit Francisco Almagro an Bord. Seit 1914 der Panama-Kanal eröffnet wurde, verlor der Hafen an
Bedeutung, ist aber nach wie vor vom Warenumschlag her der größte des Landes. Wir hielten kurz am
brückenförmigen Kongressgebäude (zeitweise Parlament!?) von 1990 mit 40.000 m² Nutzfläche, das Senat,
Abgeordnetenkammer, Kongressbibliothek und Verwaltungsstellen beherbergt. Es erinnert ein wenig an La
Grande Arche de la Défense in Paris. Bei dieser Gelegenheit machten wir auch einen Schnappschuss vom
Einigkeitsdenkmal. Etwas weiter fuhren wir dann mit einem 100-Jährigen Schrägaufzug auf den Cerro Artillería.
Von diesen Aufzügen sind heute noch 14 in Betrieb, 11 davon privat. Die steilste Gleitebene aller Schienen weist
eine Steigung von 70° auf. Der Aufzug "Artillería" fährt seit 1893 und überwindet
quietschend und knarrend, als ob er jeden Moment auseinanderfallen wollte, einen
Höhenunterschied von 175 m. Vom Aussichtspunkt bot sich ein schöner Blick über die
Bucht mit Concón, Viña del Mar und Valparaíso mit dessen Hafen. Wie auf dem
Pariser Montmartre gibt es auch hier Bilder- und Musikalien-Stände und es wurde
Jugendstil-Musik abgespielt. Wieder auf Meereshöhe angelangt, machten wir noch einen Fotostopp an der
Plaza Sotomayor mit der Antigua Intedencia, heute Marine-Hauptquartier, und einem Denkmal von Arturo
Prat.
Dann ging es zum Campingplatz Montegua in Concón, den wir kurz nach 18 Uhr erreichten.
Sonntag, 11. November 2001 (Concón - Santiago de Chile, 178 km)
Um 7.30 Uhr frühstückten wir ein letztes Mal in der Kälte. Wir konnte uns Zeit lassen, denn Abfahrt war erst um 9 Uhr. So spazierten
wir auch die 500 m zum Pazifik - in zwei Tagen werden wir schon am Atlantik sein! Der Campingplatz war vom Strand durch eine
Weide und eine Bahnlinie getrennt. Auf dieser Weide lebten Bronzekiebitze (Vanellus chilensis), die mit lauten Rufen über unseren
Köpfen umherflogen. Am Campingplatz bekamen wir Besuch von einigen sehr zutraulichen falkenartigen Chimango-Karakaras
(Milvago chimango), die nach irgendwelchen Essensresten Ausschau hielten.
Abgesehen von einem 20-Minütigen Tankstopp fuhren wir anschließend auf der Autobahn direkt nach
Santiago de Chile [560 m NN, 5.000.000 Ew.].
Kurz vor 12 Uhr waren wir dort und luden unser Gepäck im Hotel LIBERTADOR an der viel befahrenen Avenida Libertador General
Bernardo O'Higgins ab. Die Prachtallee wurde als Alameda (wegen der Pappeln (span.: álamos)) Ende des 18. Jh. angelegt,
nachdem man den Südarm des Río Mapocho (La Cañada) zugeschüttet hatte.
Es kamen nun auch die Magnaten der Salpeter-, Kupfer- und Kohleminen in die Stadt. Zwischen den weiß getünchten Adobe-
Häusern auf dem Schachbrett-artigen Grundriss der Stadt entstanden prunkvolle Bürgerhäuser und Stadtpalais nach französischem
Vorbild.
Um 14 Uhr war eine Stadtführung mit Veronica, der Frau eines ROTEL-Reiseleiters, geplant. Als Erstes war die historische Altstadt
dran:
Mit unserem roten Bus ging es zunächst zum Palacio de la Moneda, seit Mitte des 19. Jh. Präsidial- und
Regierungspalast. Das 1799 erbaute neoklassizistische Gebäude war zuvor Königliche Münze und
Spaniens größtes öffentliches Gebäude in Übersee. Linkerhand vor La Moneda steht ein Denkmal des
ehemaligen, von Pinochet gestürzten und ermordeten Präsidenten SALVADOR ALLENDE. Man kann durch
die Innenhöfe des Palastes hindurchgehen, aber nicht in den Palast hinein.
Anschließend fuhren wir zur Plaza de Armas. Wir hatten in dem immer
lebhaften kleinen Volkspark ½ Std. Aufenthalt, also genug Zeit, um in Ruhe
unsere Bilder zu machen. Der Platz ist eingerahmt von Kolonnaden und wunderschön begrünt mit
Bäumen und Palmen, Brunnen und Bänken - ein herrlicher Fleck zum Faulenzen. Die Plaza wird von
einigen kolonialen Prachtbauten umgeben, so dem Palacio de la Real Audiencia (1804-1807), in dem am
18.09.1810 Chiles erste Regierungsjunta tagte. Heute beherbergt er das Historische Museum mit seinen
12.000 Exponaten. Daneben befindet sich das pastellfarbene Prachtgebäude der 1882 von dem
Architekten Ricardo Brown errichteten Correo Central (Hauptpost). Auf der gegenüber liegenden Seite
steht das ausdrucksvolle, in der Regierungszeit Patricio Aylwins aufgestellte, Mapuche-Indio-Denkmal. Wir besichtigten die
dreischiffige Iglesia Catedral (1748-1775), in der gerade ein Gottesdienst gefeiert wurde. Drei frühere Konstruktionen wurden durch
Brände und Erdbeben zerstört. Die SO-Ecke des Platzes beherrscht die leuchtendblaue Eisenkonstruktion des alten Edwards-
Kaufhauses (Edificio Comercial Edwards) von 1892/1893.
Es folgte ein kleiner Fußmarsch zu den Prachtbauten des Gerichtshofes Tribunales de Justicia, erbaut von 1907-1929, und des
ehemaligen, 1858-1876 im neoklassizistischen Stil errichteten Nationalkongresses Ex Congreso Nacional.
Anschließend ging's in das Stadtviertel Bellavista, zum Parque Metropolitano auf dem 320 m hohen Cerro San Cristóbal [880 m
NN], einem der Santiago einrahmenden Hügel. Unterwegs erzählte uns Veronica, dass in Chile ein Durchschnittsgehalt von 200-300
US$ pro Monat gezahlt wird, wo hingegen eine gute Ausbildung bis zu 200, eine exzellente bis zu 2.000 US$ im Monat kostet. Auf
der Spitze des Cerro San Cristóbal steht die 14 m hohe und 36 t schwere Marienstatue Virgen de la Inmaculada Concepción. Auf
dem "Cerro Grande" wie ihn die Spanier nennen - oder Tupahue in Mapuche-Sprache - war viel los. Hier findet jährlich vom 8.11.-
8.12. das religiöse Fest "María, Reina de la Paz" statt; anscheinend war heute einer der Haupttage.
Mehrere Tanzgruppen aus verschiedenen Marien-Standorten gaben ihre Vorstellung. Von 16.10-16.50 Uhr
hatten wir Gelegenheit, das Fest und vor allem die herrliche Aussicht auf Santiago von oben zu erleben.
Die ganze Stadt erscheint recht flach, nur in der Neustadt stehen etliche gläserne Bürotürme, wie das
World Trade Center von Santiago. Das höchste Gebäude der Stadt ist z. Zt. das Hotel Merriot. Im
Hintergrund war die Kette der Anden sehr schön zu sehen. Veronica sagte, wir hätten außergewöhnliches
Glück mit dem Wetter - normalerweise liegt Santiago unter einer Dunstglocke und die Anden sind wegen
Nebel und Hochnebel eigentlich auch nie zu sehen. Sie erläutert dann immer: "Da hinten im Nebel liegen
die Anden und dort unten die Neustadt..."
Anstatt zum im Programm stehenden, 70 m hohen Parkhügel Cerro Santa Lucía zu fahren, ging es als nächstes zu einem "Kitsch-
Land", einem Verkaufsdorf, wo man angeblich Handwerkskunst erwerben könne. Doch das Meiste war Kitsch - jedenfalls fanden wir
kein brauchbares Souvenir.
Durch die teuren Neustadt-Viertel Las Condes (Hier bewohnt auch Margot Honecker ein Haus in der Nähe der Clinica Alemana, der
Deutschen Klinik. Sie hat sich bei den Chilenen wohl total unbeliebt gemacht, indem sie z. B. in jedem Laden ihre Privilegien geltend
machen und nicht wie die anderen anstehen wollte. Heute ist sie auch mit ihrer Tochter verstritten.) und Providencia ging's zurück
zum Hotel LIBERTADOR, wo wir gegen 18.30 Uhr ankamen und bis zum Abendessen um 19.30 Uhr noch genügend Zeit hatten. Ich
nutzte diese zum Duschen und Haare waschen; Bertram machte noch einen Abstecher per pedes zum 500 m entfernten Cerro Santa
Lucia. Das ROTEL-Essen war eine wahre Wonne verglichen mit dem heutigen Abendessen: ein dünnes totgebratenes
Schmetterlingssteak, dazu Anrühr-Kartoffelbrei, keinerlei Gemüse oder Salat, und als krönender Abschluss noch ein chemisch-süßes
Kunst-Eis - Bertram verzichtete freiwillig darauf.
Nach dem Abendessen marschierten wir beide noch in die Fußgängerzone Santiagos. Dies war das erste Mal auf unserer Reise, wo
wir das Nachtleben einer größeren Stadt erkunden konnten. War da was los! Mehr noch als in den spanischen Städten - Musikanten
und Tänzer amüsierten das Publikum, ambulante Straßenhändler knieten Tuch an Tuch in der Fußgängerzone, um alles feilzubieten
was man feilbieten kann: Schmuck, Unterwäsche, CD's, Nachttischlampen..., und eine übergroße Pokemon-Figur unterhielt die
Kinder. Die Plaza de Armas präsentierte einen wunderschönen Anblick: die Kathedrale angestrahlt, ebenso das Rathaus, die alte
Post, Museen, ja selbst der Brunnen und das Mapuche-Denkmal. Dazu zeigten die Uhrthermometer der Fußgängerzone um 21.40
Uhr immer noch 23 °C - so eine milde Nacht hatten wir auf unserer Reise seit Ecuador nicht mehr! Tagsüber waren es sicherlich über
30 °C.
Wir wohnten im Hotel zwar im 7. OG, aber der Verkehr - vor allem Hunderte gelbe Busse - hörte sich an, als ob er dicht vor unserem
Fenster vorbeibrausen würde. Ich brauchte Ohrstöpsel, konnte dann aber sehr gut schlafen; Bertram kann sowieso fast überall
problemlos einschlafen.
Montag, 12. November 2001 (Santiago de Chile - Rio de Janeiro, ca. 50 Bus-km)
Endlich mal nicht in der Morgenkälte aufwachen! Bis 7.15 Uhr schlief ich durch. Als ich aufwachte, stand Bertram am Fenster und
filmte den Busverkehr; Josef nannte sie "Das Gelbe Elend von Santiago". Zwischen 20 und 30 Busse standen auf einmal an der
Kreuzung. Es waren mehr Busse als PKW auf der Avenida unterwegs - zumindest konnte man diesen Eindruck gewinnen. Und sie
rasten viel zu schnell. Einer wurde vor dem Hotel von der Polizei angehalten - er war vermutlich schon bei Rot über die Kreuzung
gerast - und lange aufgehalten. Dies ist das Schlimmste für einen hiesigen Busfahrer, da ihm dann die Fahrgäste davonlaufen - aus
diesem Bus sind jedenfalls alle ausgestiegen.
Unser Frühstück war ähnlich dem im Hotel in Quito, außer dass hier sogar der Saft ungenießbar war! Ansonsten pappiges
ungetoastetes Toastbrot, Brötchen vom Vortag, ein 5-cm-Tellerchen Marmelade, die mit Kratzen geradeso für 4 Toastscheiben
reichte. Dazu Tee und Nescafé (In ganz Südamerika gibt es jede Menge Produkte von Nestlé!), der von Tisch zu Tisch gereicht
werden musste. Bertram war der Appetit ganz vergangen und so verließen wir alsbald den Salon, um in der Stadt etwas
Bekömmlicheres zu suchen. Die Fußgängerzone war schon wieder - oder immer noch!? - gut bevölkert, diesmal jedoch mit mehr
Geschäftsleuten und Berufstätigen. Wir fanden ein einziges Internet-Café, und das hatte um 9.30 Uhr noch keinen Zugang zum
World Wide Web! In der Pizzeria "La Carolina" ließen wir es unseren Mägen gut gehen. Langsam schlenderten wir zurück zum Hotel,
immer auf der Suche nach nützlichen Gegenständen für unser letztes chilenisches Geld. Sepp verspätete sich ¼ Std. und holte uns
um 11.45 Uhr ab. Wir dachten, der Stadtverkehr wäre schuld, aber ein Feuerlöscher hatte sich im Bus selbst ausgelöst und alles mit
einer dicken gelben Schicht überzogen. Also musste Sepp erst den Bus auswischen und die Polster absaugen. Ein Glück, dass dies
nicht während der Reise und mit uns an Bord passierte!
Copyright © 2002 Regine Werle. Alle Rechte vorbehalten
Auf der Panamerikana von Quito nach Santiago de
Chile - und stopover Rio de Janeiro zurück
4. - 12. November 2001