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Reisebericht
Es war einmal ein junger Elefantenbulle. Er lebte mit seiner Herde im
South Luangwa National Park irgendwo in Zambia im südlichen
Afrika. Jeden Abend verließ er den Park und durchquerte den
Luangwa River durch die Furt, um auf der anderen Seite die leckeren
Akazienschoten zu suchen.
Doch eines Tages war alles anders. Diesmal stand mitten auf seinem
Weg ein großes rotes Ungetüm. Zunächst achtete der junge Elefant
nicht weiter darauf. Er stieß wie gewohnt mit dem Kopf gegen den
Akazienbaum, um die Schoten zu ernten. Dass oben im Baum auf
dem Ausguck ein Zelt stand und drinnen ein Zweibeiner schlief, störte
ihn dabei nicht. Eine Weile begnügte sich der junge Elefant damit, mit
seinem langen Rüssel die Schoten genüsslich aufzuheben und in sein
Maul zu schieben.
Dann witterte er aber etwas. Es war anders, es roch süß, es roch
nach Obst. Doch woher kam der Geruch? Aus dem Mülleimer
vielleicht? Der junge Elefant schnüffelte mit seinem Rüssel daran.
Nein, hier war es nicht. Doch da war das große rote Ungetüm. Was war das wohl? Es hatte 21 Augen und den merkwürdigen
Namen PA-PA. Langsam trabte der Elefant auf leisen Sohlen auf das fremde Ding zu. Er hatte ein wenig Angst davor, war das
rote Ding doch fast doppelt so groß wie er. Aber es bewegte sich nicht von der Stelle. Vorsichtig beschnüffelte der kleine Elefant
mit seinem Rüssel das große rote Ungetüm. Was das wohl war? Doch es roch so verführerisch darin! Also überwand der Elefant
seine Furcht und legte den Rüssel auf die oberste Treppenstufe, die da an dem roten Ungetüm stand.
Plötzlich schreckte der kleine Elefant zurück. Im Bauch des großen roten Ungetüms kicherte und rumorte es gewaltig. Also gab
der Elefant seinen Versuch auf, weiter nach dem Geruch zu suchen, und wandte sich dem nächsten Mülleimer zu. Ein kurzer
Ruck – und er hatte das den Mülleimer schützende Gitter mit lautem Getöse weggefegt. Der junge Elefant kippte den Müll aus
und durchwühlte ihn – bis auf ein paar mickrige Salatblätter war aber nichts zu finden. Also versuchte er es beim nächsten
Mülleimer und beim übernächsten – jedes Mal ohne größeren Erfolg.
Am nächsten Morgen kehrte der junge Elefantenbulle mit seiner Familie über den Fluss in den Nationalpark zurück, um am
folgenden Abend wieder zu kommen.
Es war noch hell, die Sonne noch nicht untergegangen, da kehrte der junge Elefant zurück zum Flat Dog's Camp. Der
verführerische Duft im Bauch des großen roten Ungetüms ließ ihm keine Ruhe.
Diesmal hatte der kleine Elefant Erfolg. Kein Kichern und Rumoren – diesmal hatte er freie Bahn. Also schnell den langen Rüssel
hinein in den Bauch und ein Stück herausgezerrt – es war nur eine Matratze. Auf ein Neues. Igitt, das runde Ding – von den
Zweibeinern Zwiebel genannt – schmeckt abscheulich. Und immer noch duftete es so verführerisch! Und dann, dann hatte es der
kleine Elefant endlich geschafft: der ach so verführerische Geruch stammte von Äpfeln! Zwei große Säcke konnte der Elefant
stibitzen. Und damit ihm niemand etwas streitig machen konnte, verspeiste er die köstliche Beute mitsamt der Plastiktüte.
Und während der junge Elefant einen neuen Versuch wagte – es könnten ja noch mehr Äpfel im Bauch des großen roten
Ungetüms sein – rasselte eine Glasflasche auf den Rücken des roten Ungetüms. Den Elefanten störte das nicht. Erst nachdem
das große rote Ungetüm laut aufheulte, ließ sich der kleine Elefant abschrecken und trabte davon.
Doch nur für den Moment.
In der Nacht kam der kleine Elefant mit zwei großen Brüdern wieder. Doch es gab kein Hineinkommen in den Bauch des großen
roten Ungetüms. Auch Schütteln brachte keine Äpfel hervor.
Aber am frühen Morgen – es war gerade hell geworden – da war der Bauch des großen roten Ungetüms einen Spalt breit offen.
Schwupps – den Fuß auch die Treppe gestellt und den Rüssel hineingesteckt. Nein – das war nur ein Laken, und das nur ein
Kissen – und der blaue Korb war leer. Wo waren nur die Äpfel? Gestern waren doch welche in diesem Korb drin... dachte der
kleine Elefant.
"Hilfe, Ihr Männer, kommt doch mal schnell! Der Elefant ist wieder da, ich sehe schon die Stoßzähne!" ertönte es plötzlich und
unerwartet aus dem Bauch des großen roten Ungetüms. Hoppla, dachte der Elefant, gestern war es doch so ruhig hier. Und nun
wieder das Getöse? Also schnell weg von dem großen roten Ungetüm.
Ah, dort hinten bei den grünen Zelten, da riecht es auch so gut, dachte der kleine Elefant. Die Hecke – kein Problem, sie reichte
ihm nicht einmal bis zu den Knien. Das erste Zelt – Fehlalarm. Aber das zweite... Aua! ein schwarzer Zweibeiner hatte mit einem
harten Ballen vom Termitenhügel nach dem Elefanten geworfen, um ihn zu verscheuchen. Schnell und lautlos verschwand der
Elefant im Unterholz hinter dem Camp.
Na wartet, dachte der kleine Elefant. ich komme wieder. Aber diesmal mit Verstärkung! Und er brachte – es war noch nicht einmal
eine Stunde vergangen – wieder seine beiden großen Brüder mit.
Die weißen Zweibeiner vor dem großen roten Ungetüm nahmen Reißaus. Der junge Elefant nutzte seine Chance. Doch Äpfel
waren keine mehr zu holen in dem Bauch des großen roten Ungetüms. Und während einer seiner Brüder Wache stand und der
andere den Mülleimer durchsuchte, marschierte unser Elefant zum Heck des großen roten Ungetüms. Er roch auch dort etwas
Besonderes. Aber das rote Ungetüm spie Feuer – und davor hatte der Elefant gewaltige Angst.
Also ließ der kleine Elefant von dem großen roten Ungetüm ab und zog mit seiner Familie – an die 20 Elefanten stark – über den
Luangwa River zurück in den South Luangwa National Park.
Vorerst.
Aber schon bei seinem nächsten nächtlichen Besuch im Flat Dog’s Camp war das große rote Ungetüm verschwunden.
Doch irgendwann wird es wiederkommen, das große rote Ungetüm. Und dann wird er erneut versuchen, Äpfel aus dessen Bauch
zu holen, der kleine Elefant.
Copyright © 2002 Regine Werle. Alle Rechte vorbehalten
Hintergrund:
Diese Geschichte haben wir erlebt in der Zeit vom 21. – 23. September 2002 während unserer Expeditionsreise quer durch das
südliche Afrika. Das große rote Ungetüm ist der rote kombinierte ROTEL-Truck, dessen Bauch die Schlafkabinen und das Feuer
die Flammen des Gaskochers, auf dem gerade das Kaffee- und Teewasser kochte.
Widmung:
Diese Geschichte widme ich Anne und Willy, die uns in vier Wochen 7.500 km quer durch Schwarz-Afrika führten.
22.-23. September 2002