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Reisebericht
16. August - 4. Oktober 1999
Teil 2: Aragón
Durch die Hochpyrenäen nach Westen
Das Bergsträßchen über Espés und Abella zum Collado de Fadas fand ich nicht bzw. war nur eine für den Bus zu steile Schotterpiste.
Also ging es über Bonansa zum Collado de l'Espina [1.407 m NN], wo ich bei bewölktem Himmel aber immerhin noch 20 °C die
Dunkelheit abwartete, um dann in einem der kleinen Dörfchen zu übernachten. Auf dem Pass hörte ich aus einem Seggenried einen
Ruf, der von einer Kröte oder Grille stammen musste; leider habe ich den Urheber auch im ‚Nightshot'-Infrarotlicht der Videokamera
nicht entdecken können. Der nächste Ort, Laspaúles [1431 m NN], diente mir als Nachtquartier. Bis zum Morgen kühlte es auf 11 °C
ab.
Am 23.09. erreichte ich den Collado de Fadas [1.470 m NN], von wo es ziemlich steil ins Tal des Río Esera hinunter ging, der im
Maladeta-Massiv entspringt. Dort befinden sich die höchsten Pyrenäen-Gipfel Pico de la Maladeta [3.308 m NN] und Pico de Aneto
[3.404 m NN].
Als Tor zur Maladeta fungiert Benasque [1.138 m NN, 1.250 Ew.]. Von außen ziemlich unattraktiv mit seinen vielen, zur Sommerzeit
meist leer stehenden Hotelbauten, hat sich der historische Ortskern mit seinen schiefergedeckten, dunklen Steinhäusern jedoch gut
erhalten. Alte Herrenhäuser wie der Palast des Grafen von Ribagorza säumen die engen Gassen; an der Plaza del Ayuntamiento
stehen herrlich bemalte Arkadenhäuser und die Kirche aus dem 12. Jh. Benasque entwickelte sich seit dem 17. Jh. zur
Sommerfrische für den spanischen Wohlstand.
Nach der Ortsbesichtigung machte ich noch einen kleinen Fußmarsch einen Hang hoch, in der Hoffnung, einen schönen
Aussichtsplatz zu finden, was mir aber nicht gelang; jedoch entdeckte ich eine für mich neue Buntschrecken-Art, die in größerer
Anzahl im Unterwuchs saßen und nur durch ihr Zirpen auffielen.
größerer Anzahl im Unterwuchs saßen und nur durch ihr Zirpen auffielen.
Dann fuhr ich weiter das Valle de Benasque hoch, das vom Río Ésera durchflossen wird. Von der Straße A-139 zweigen einige
Schotterpisten ab, sie selbst endet im Nichts an einer Absperrung, aber man hatte eine schöne Aussicht. Ich fuhr die Straße zurück,
um verschiedene Seitenwege zu erkunden.
Der erste Abzweig führte an Almwiesen mit Unmengen von "Wald-Krokussen"(?) (azafrán silvestre), dem unerwartet großen Gebäude
Hospital de Benasque und den Sumpfwiesen des Plan d'Estañ vorbei nach La Besurta mit der Hütte "La Renclusa" auf 1.900 m NN.
Der dortige Parkplatz war überfüllt, denn von hier aus kann man den Gipfel des Pico de Aneto in einer Tagestour erreichen, allerdings
sind ca. 1.500 Höhenmeter zu überwinden, wofür ein geübter Wanderer mindestens 5 Stunden nur für den Hinweg benötigt. Da diese
Tour für mich außerhalb jeglicher Diskussion lag, machte ich nur eine ganz kurze Wanderung auf dem Weg durch den Macizo de la
Maladeta, bei der ich viele Heuschrecken, darunter Nördliche Warzenbeißer, und Pflanzen (Alpenrosen, Eisenhut u.a.) entdeckte und
filmte. Der Blick zum Gipfel Pico de Aneto [3.404 m NN] wurde durch dicke Wolken verdeckt, die mit hohem Tempo vorbeizogen.
Der nächste Abstecher zum Plan de Turpi galt einem botanischen Wanderweg, dem ich ein Stück folgte und einige interessante
Pflanzen und Tiere fand, und dem alten Heilbad Baños de Benasque [1.700 m NN], dessen heißes Wasser aus fünf verschiedenen
Quellen stammt.
Bei L'Acampamén gibt es einen Natur-Campingplatz mit Toilettenhäuschen und Wasserstelle; da niemand weit und breit zu sehen war,
nutzte ich die günstige Gelegenheit, meine Bus-Toilette zu leeren und den Wassertank zu füllen.
Kurz vor Benasque zweigt eine richtige Straße zum Wintersport-Ort Cerler [1.500 m NN] ab, einem echten Saisondorf, wo im Sommer
überall gebaut und repariert wird. Unterhalb Cerler auf 1.400 m NN liegt in einer Kurve der Aussichtspunkt Mirador de Benasque, von
dem sich ein herrlicher Blick ins Valle de Benasque und auf den Ort Benasque bietet. Cerler passierend, fuhr ich noch weiter bergauf
in Richtung des Tuca Zibollés [2.749 m NN] bis zum riesigen Parkplatz Choza de L'Ampriu [2.000 m NN], wo einige Skilifte ihren
Ausgang nehmen; es wurde gerade noch ein weiterer angelegt. Zum Übernachten war es hier zu unruhig, auch der Parkplatz in Cerler
erschien mir nicht geheuer, so fuhr ich wieder zurück ins Tal nach Benasque.
In aller Frühe am nächsten Morgen - es wurde bei starker Bewölkung und nur 9 °C gerade hell - fuhr ich zum 2 km entfernten
Nachbarort Anciles [1.100 m NN], der sehr urtümlich wirkt; hier schien die Neuzeit noch nicht richtig angekommen zu sein. In der
Morgenstille wirkten die steinernen Häuser und die Kirche besonders urig, es gibt hier auch einige Bauernhöfe, wo man Pferde zum
Ausreiten leihen kann. Anciles gilt als besonders schönes Pyrenäendorf.
Mich zog es weiter in die Bergwelt. Zunächst ging es südwärts Richtung Aínsa, dann aber den Hang hoch über Chía [1.222 m NN],
von wo ich eine herrliche Aussicht in das im Morgennebel liegende Valle de Benasque und die umgebenden Berge genoss, zum
Puerto de Sahún [1.989 m NN]. Es ging steil bergauf über Schotter- und Sandpisten, vorbei an Kuh- und Schafherden bis zum Pass,
der einen überwältigenden Blick ins vom Río Cinqueta durchflossene Valle de Gistaín mit seinen Dörfern und zum zweithöchsten
Pyrenäenberg Posets [3.375 m NN] bot. Die Abfahrt war noch steiler und schwieriger - sogar einen Bach musste ich durchqueren -
und ich war froh, nicht diese Richtung hinauf gefahren zu sein. In Plan hatte ich wieder die "Zivilisation" in Form einer normalen,
geteerten Straße erreicht. Nach 12 km mündet das Valle de Gistaín ins Valle de Bielsa, das vom Río Cinca durchflossen wird, weitere
8 km flussauf liegt Bielsa [1.023 m NN, 450 Ew.], ein typisches Bergdorf, das sich noch einen speziellen Dialekt des Aragonischen -
das 'belsetán' -, und eine besondere Art des Karnevals erhalten hat. Auch die Kirche aus dem 15. Jh. ist original erhalten. Bielsa gilt
als Tor zum östlichen Teil des Parque Nacional de Ordesa y Monte Perdido. Hier beginnt das Valle de Pineta, ebenfalls vom Río
Cinca durchflossen, der am Nordhang des Monte Perdido [3.355 m NN] entspringt. Auf 13 km führt eine Straße hindurch bis zum
'Parador Nacional de Monte Perdido'. Dort befindet sich auch ein Campingplatz, wo ich bleiben wollte. Jedoch gingen von da nur steile
Hochgebirgs-Wanderwege ab, für die ich nicht ausgerüstet war.
lso fuhr ich nach Bielsa zurück, und dort die - durch den Túnel de Bielsa von Frankreich kommende - A-138 südwärts nach Aínsa [589
m NN, 1.600 Ew.] am Zusammenfluss von Río Cinca und Río Ara. Die ehemalige Hauptstadt des kleinen mittelalterlichen Königreichs
von Sobrarbre (11. Jh.), das die Täler von Bielsa, Broto, Gistain und Puértolas umfasste, ist noch von einem Mauergürtel umgeben
und steht unter Denkmalschutz. Die Altstadt stellt ein harmonisches, ockerfarbenes Gebilde dar und gilt als Juwel aragonischer
Baukunst. Die von Säulengängen umgebene Plaza Mayor (12.-13. Jh.), die romanische Kirche Santa María de la Asunción (12. Jh.)
und die maurische Burg mit arkadengesäumten Burghof und fünfeckigem Wehrturm (11. Jh.) sind schon beeindruckend.
Nun fuhr ich weiter westwärts, dem Río Ara folgend. Das Städtchen Boltaña [643 m NN] mit seiner Hügellage, auf dessen höchstem
Punkt die Kirche 'Iglesia de San Pedro Apostol' (16. Jh.) steht, empfand ich recht hübsch. Weiter in Richtung Fiscal hat der Fluss eine
Gesteinsfalte hervortreten lassen die sich als Garganta del Río Ara wie ein Grat durchs Tal zieht. Schließlich erreichte ich den
Touristenort Broto [905 m NN, 500 Ew.] und seinen schön gelegenen Nachbarort Oto [913 m NN], wo ich bis zum Einbruch der
Dunkelheit Rast machte; zum Schlafen fuhr ich dann nach Broto zurück.
In dieser Nacht hatte es heftig geregnet und auch der Morgen war grau und wolkenverhangen bei 14 °C. Ich wollte heute eigentlich
den westlichen Teil des Ordesa-Nationalparks erkunden. Am Ortsrand von Torla [1.033 m NN] ist ein Parkplatz mit Bus-Pendelverkehr
ins Valle de Ordesa - an sich eine ideale Sache, um den Park vor zu viel Autoverkehr zu schützen. Allerdings wird für Wohnmobile
umgerechnet rund 20 DM Parkgebühr verlangt (ohne Bus-Ticket!). Dies und vor allem das mehr als besch... Wetter hielten mich
letztlich davon ab, diesen bedeutenden Park zu besuchen.
Also fuhr ich unverrichteter Dinge weiter westwärts über den Puerto de Cotefablo [1.423 m NN] ins Valle de Tena nach Biescas [875
m NN]. Hier gab es verschiedene Läden, wo ich Lebensmittel, aber auch einige Landkarten erstand. Das Wetter wurde immer
schlechter, als ich nordwärts den Río Gallego entlang Richtung Puerto de Portalet (1.794 m NN) fuhr. Am Stausee Embalse de Búbal
verließ ich die Hauptstraße A-136, um zu einem Aussichtspunkt in Hoz de Jaca [1.272 m NN] zu gelangen, von dem sich eine
herrliche, wenn auch regengetrübte Sicht auf den Stausee bot. Vorbei an Panticosa [1.184 m NN] führt eine Straße in engen
Haarnadelkurven durch die beeindruckend tiefe und schmale Schlucht Garganta del Escalar zum Thermalbad Balneario de Panticosa
[1.639 m NN], das in einem Bergkessel am Südhang des Berges Vignemale (3.298 m NN) liegt und über sechs schwefel- und
radonhaltige Quellen verfügt. Hier war es mit dem Wetter dann ganz vorbei und bei 16 °C goss es in Strömen. Als der Regen
kurzzeitig nachließ, machte ich mich auf, den Ort etwas zu erkunden. Es gibt hier ein Spielcasino, das von einem schönen Park
umgeben ist, und einen kleinen See, an dessen Ufer einige Angler mit beinlangen Stiefeln und Regenschirm im Wasser standen und
ihrem Hobby nachgingen. Im wieder einsetzenden Regen ging es zurück ins Valle de Tena und noch ein St´ück nordwärts bis zum
Stausee Embalse de Lanuza, an dessen Ufer sich in malerischer Lage der Ort Lanuza [1.300 m NN] befindet; diesen Anblick hatte ich
schon bei der Einreise entdeckt, aber leider nicht im Bild festgehalten. Nach einem kurzen Fotostopp machte ich mich auf den Weg
südwärts entlang des Río Gallego über Biescas und Sabiñánigo nach
Jaca [820 m NN, 14.000 Ew.]
"Die alte Pilgerstation Jaca liegt auf einem fruchtbaren Plateau am Río Aragón, dem Fluss also, der der ganzen Region seinen Namen gab.
Die Altstadtgassen fügen sich zu einem sehenswerten Ensemble zusammen, das architektonisch durch ein neues Kongresszentrum und eine
olympiareife Eislaufhalle ergänzt wurde. Hier trainiert eine der besten Eishockeymannschaften des Landes. Fast ebenso groß wie die Altstadt
ist die mächtige fünfzackig-sternenförmige Zitadelle, die noch heute als Garnison dient." [aus: DuMont Reise-Taschenbuch "Pyrenäen", 2000]
Ich erreichte Jaca am Samstag Nachmittag. Es hatte unterwegs aufgehört zu regnen und so und begab ich mich gleich auf
Besichtigungstour. Das bedeutendste Bauwerk stellt die Catedral de San Pedro dar, die 1040 - 1076 unter König Ramiro I. als erste
romanische Kirche Spaniens errichtet wurde. In der gotischen Zeit wurde sie teilweise umgebaut und erhielt später ihre platereske
Ausschmückung. Die Kathedrale hat die Form einer Basilika mit drei Schiffen, einem Querschiff und drei halbrunden Apsiden. Das im
Kreuzgang untergebrachte Museo Diocesano mit einer der größten Sammlungen romanischer Kirchenmalerei in Spanien war leider
geschlossen. So besichtigte ich noch die Altstadt mit ihren schönen Häusern, dem plateresken Renaissance-Rathaus und einem
Uhrturm, der zum nicht mehr vorhandenen Königspalast gehörte. Am Rand der Altstadt standen in einem Grünzug mit Spielplätzen
etliche abstrakte Skulpturen, die mir sehr gefielen.
Auf der Suche nach einem Aussichtspunkt fuhr ich zunächst erfolglos einige Stellen ab, so auch das Dörfchen Asieso auf einem
Plateau knapp außerhalb Jacas, zu dem nur eine sehr steile, löchrige Piste hinauf führt. Dann entdeckte ich die Zufahrt zu einem alten
Fort auf einem Hügel oberhalb Jacas, dem Castillo de Rapitan. Die Straße führte in 14 Kehren von 820 m NN auf 1.160 m NN. Neben
der nicht mehr genutzten Festung hatte man ein großes Vielfamilien-Wohnhaus gebaut, das aber offenbar nicht bewohnt ist und
langsam verfällt. Von hier oben hatte ich einen wunderbaren Blick auf Jaca, das Tal La Canal de Berdún mit dem Río Aragón und die
südlich davon liegende Sierra de Oroel.
Eine wunderschöne Bergstrecke vorbei an der Peña de Oroel [1.769 m NN] und über den Pass Puerto de Oroel [1.080 m NN] fuhr ich
nun weiter zur Sierra de San Juan de la Peña, die ein wahres Kleinod beherbergt; entsprechend dramatisch war auch die Szenerie:
Die Straße führte in einen unheimlichen Wald, es wurde neblig mit nur ca 50 m Sichtweite: Plötzlich tat sich eine Lichtung auf und nur
schemenhaft konnte ich eine doppeltürmige Kirche erkennen. Sie gehört zum Monasterio de San Juan de la Peña [1.115 m NN], stellt
allerdings einen moderneren Teil dar. Das ursprüngliche Kloster liegt in dieser waldreichen Gegend einzigartig unter Felsvorsprüngen
und ist eines der ungewöhnlichsten romanischen Bauwerke.
"Im 9. Jh. entstand das Kloster unter einem gewaltigen überhängenden Felsblock (span.: peña), der es nahezu zu erdrücken scheint. Die drei
Apsiden wurden direkt in den Stein geschlagen und dem Kreuzgang dient der mächtige Steinbrocken als Gewölbe. Das Kloster wurde bald
nach der Gründung ein geistiges Rückgrat des christlichen Widerstands gegen die Mauren und Zufluchtsort für viele Mönche. Das schnell an
Ruhm gewachsene Kloster war den Adeligen und Königen aus Aragón bald ein würdiger Ort für ihre letzte Ruhestätte." [aus: DuMont Reise-
Taschenbuch "Pyrenäen", 2000]
Unterhalb des Klosters liegt der Ort Santa Cruz de la Serós [788 m NN], wo ein weiteres reiches Kloster stand, das 992 von König
Sancho Garcés II. zusammen mit seiner Frau Doña Urraca gegründet wurde. Erhalten geblieben ist lediglich die romanische Kirche
aus dem 11. Jh. mit achteckigem Glockenturm. Als ich dort ankam, dämmerte es bereits. Ich fuhr noch ein kleines Stück weiter bis
nach Puente la Reina de Jaca [608 m NN], wo ich mir zum Samstag Abend in einem kleinen Restaurant ein warmes Abendessen
gönnte, während draußen bei 17 °C ein Gewitter niederging. Die Nacht verbrachte ich auf dem Parkplatz des Lokals, denn mein
Zielgebiet für die nächsten Tage lag hier genau vor mir.
Urtümliche Westpyrenäentäler
Im Natur-Reiseführer werden vier Täler der Westpyrenäen als Hauptreiseziel behandelt:
"Die Täler verlaufen in Nord-Süd-Richtung, sind ohne Orientierungsprobleme befahr- oder begehbar und bieten durch ihren augenfälligen
Greifvogelreichtum gerade auch dem interessierten Nicht-Spezialisten überaus faszinierende Eindrücke. Neben dem Schwerpunkt Greifvögel
erwartet den Besucher aber auch eine herrliche Landschaft und eine von mikroklimatischen Einflüssen geprägte Vegetationszonierung.
Die Hauptstraße von Jaca nach Pamplona verläuft im Tal des Río Aragón, in dem die 4 beschriebenen Täler enden. Jedes Tal kann von hier
aus einzeln befahren werden, durch Querverbindungen gelangt man jedoch auch weiter oberhalb von Tal zu Tal.
Das Gebiet gehört zu den am dünnsten besiedelten Zonen Spaniens (15 Bewohner/km2) und ist bisher von negativen menschlichen
Einflüssen fast verschont geblieben. Steile, unzugängliche Felswände und Schluchten bieten unzählige Nistmöglichkeiten für Greifvögel. Auch
die klimatischen Gegebenheiten begünstigen durch ihren Übergangscharakter vom Pyrenäen-Hochgebirge zu den trockenen, steppenartigen
Gebieten südlich des Río Aragón eine artenreiche Tier- und Pflanzenwelt. Die südlichen Talenden liegen auf etwa 600 - 800 m Höhe, und auf
befahrbaren Wegen gelangt man bis etwa 1.800 m Höhe. Das beschriebene Gebiet ist regenärmer und sonnenreicher als die viel stärker
unter dem Einfluss der Atlantikwolken stehenden weiter westlich gelegenen Täler. Das Nahrungsangebot für die großen Greifvögel ist vor
allem durch die extensiv betriebene Schaf- und Ziegenhaltung sehr gut. Gerade in den höheren Lagen verbringen die Herden den Sommer
meist ohne Hirten, und im Winter folgen viele Greifvögel den Herden in die Trockengebiete des Ebro-Tals. Lokale Naturschutzorganisationen
koordinieren darüber hinaus die Bestückung abgelegener Futterstellen mit Tierkadavern aus Schlachthöfen und Milchviehzuchten. Das Gebiet
mit seiner enormen ökologischen Bedeutung sollte unbedingt so erhalten werden." [aus: Roberto Cabo: "Reiseführer Natur - Spanien", 1991]
Die beiden östlichen, zu Aragón gehörenden Täler Valle de Hecho und Valle de Ansó zeigen im unteren Bereich noch deutlich
mediterranen Einfluss, während sie im oberen Bereich bis in die alpine Zone hineinreichen. Diese beiden Täler wollte ich mir genauer
ansehen.
Der Morgen war wolkenlos bei 9 °C und es hatte sich Nebel gebildet. Entlang des Río Aragón Subordán dem Valle de Hecho folgend,
erreichte ich nach 24 km das Dorf Hecho [833 m NN, 800 Ew.], wo ich auf der Suche nach Fotomotiven, frischem Brot und einem
Café einen Morgenbummel machte. Besonders auffällig waren die Naturstein-Häuser mit ihren gemauerten Rundkaminen, aber auch
am Dorfrand aufgestellte Skulpturen aus Marmor oder Metall; immer im Juli/August findet hier ein Workshop von Künstlern statt.
Nur 2 km hinter Hecho liegt das Dorf Siresa [900 m NN], das sich durch die beeindruckende Iglesia Monasterio de San Pedro
auszeichnet. Sie ist der einzige Überrest des im Jahre 833 von Conde Galindo Arnárez I. gegründeten Monasterio de Siresa. Schon
1252 waren davon nur noch Ruinen übrig; in der Folgezeit wurde die Kirche wieder aufgebaut, ihr wertvollstes Inventar fiel 1345
jedoch einem Brand zum Opfer. 1931 wurde sie zum "Monumento Nacional" erklärt, 1946-48 und 1990-95 fanden Restaurationen
statt. Ich hatte Glück - weil eine Bus-Reisegruppe gerade eine Besichtigung machte, konnte ich auch ins Innere der Kirche gelangen
und so bei mittelalterlichem Chorgesang (vom Band) die Statuen von San Pedro und María und zwei schöne Retablos (Hochaltäre)
bewundern.
Das Tal des Río Aragón Subordán verengt sich nun zur Schlucht Boca del Infierno (= "Höllenschlund") mit senkrechten Wänden. An
den Ufern des reißenden Baches leben Wasseramseln und Gebirgsstelzen. Die Straße passiert mehrere in den Fels gesprengte
Tunnels und nach 12 km endlich weitet sich das Tal wieder. Dort wurde früher Erz abgebaut, die Häuser der Bergarbeiter sind z. T.
noch erhalten und die Stelle heißt "La Mina", heute gibt es in der Talweitung einen Campingplatz. Ich fahre die Straße noch 5 km
weiter hoch, bis ein Bach den Weg abschneidet. Hier in ca. 1.800 m Höhe gibt es Almen mit Kühen und viele Wanderer. Der Blick auf
die umgebenden Gipfel der West-Pyrenäen, darunter den Monte Campanil (2.331 m NN), ist einfach schön.
Auf dem Rückweg nach Hecho musste ich einige Zeit hinter einer Rinderherde herfahren, da es keinerlei Möglichkeit zum
Vorbeifahren gab. Von Hecho aus führt eine Querstraße über einen Pass hinüber ins Valle de Ansó, das vom Río Veral durchflossen
wird und dessen südlichen Teil ich zunächst erkundete. Vorbei an dem verlassenen Dorf Sta. Lucia erreichte ich die vom Río Veral
ausgewaschene Schlucht Hoz de Biniés, in der es laut mehrerer Reiseführer Unmengen von Greifvögeln in vielen Arten geben soll.
Dafür war ich wahrscheinlich jahreszeitlich zu spät dran, jedenfalls konnte ich bei einem kleinen Fußmarsch nur etliche Gänsegeier
erspähen. Also fuhr ich nach Biniés [681 m NN], wo ich etwas oberhalb des Ortes bei einem Aussiedlerhof Siesta hielt. Dabei
entdeckte ich einige seltsame Verwitterungsformen: Hügel mit tief eingeschnittenen Abflussrinnen, auf deren Spitze ein einzelner
gestielter Stein stand. Erst in der Dämmerung bei leichter Bewölkung und 20 °C fuhr ich weiter zu dem in eindrucksvoller Lage auf
einem Hügel liegenden Ort Berdún [688 m NN], wo ich übernachtete.
Tags darauf war es stark bewölkt bei 11 °C und ich erkundete zuerst ein weiteres Tal, durch das laut der meisten Landkarten keine
Straße führt; nur die Michelin-Karte erwies sich wieder mal als beste. 6 km westlich von Berdún mündet der Barranco de Fago in den
Río Veral. Sein Tal wird doch von einer Straße durchquert. Zwischen Majones und Fago steigt sie stark an und folgt in Windungen der
Schlucht in der ich auch Gänsegeier entdeckte. Fago [888 m NN] liegt weltabgeschieden am oberen Ende der Schlucht. Hinter Fago
stand ein Schild, dass die weitere Straße wegen Baustelle gesperrt sei - und das nach fast 20 km. Aus lauter Ärger fuhr ich erstmal
trotzdem weiter: Es gab zwar eine Baustelle, aber für PKW und Kleinbusse war sie passierbar; das Schild direkt hier zeigte nur LKW-
Sperre! Kurz danach erreichte ich die Querstraße vom Valle de Roncal zum Valle de Ansó, dessen Hauptort und oberen Teil ich
gestern ausgespart hatte.
Ansó [860 m NN, 500 Ew.] wartet mit Naturstein-Häusern auf, auch die Gassen sind mit Natursteinplatten belegt. Dazu passt die
robust wirkende spät gotische Pfarrkirche. Die Bewohner des Dorfes haben sich bis heute ihren alten Dialekt, ihre Trachten und
Gebräuche erhalten. Ich machte hier noch meinen letzten Großeinkauf in Spanien, denn ich wollte noch heute über den Pyrenäen-
Hauptkamm nach Frankreich wechseln.
Von Ansó gibt es eine 14 km lange Straße talaufwärts nach Zuriza [1.100 m NN]. Auch hier verengt sich das Tal zu einer, wenn auch
nicht ganz so engen, Schlucht. Der Ort selbst besteht nur aus einigen Hütten und einem Campingplatz. Von hier ging es hoch zum
Puerto de Zuriza (?) [1.290 m NN], der die Grenze zur REGION und PROVINZ NAVARRA darstellt. Das folgende Valle del Roncal,
wo ich im Ort Isaba endlich eine Tankstelle fand, wird vom Río Esca durchflossen und führt nordwärts zum Pass Col de la Pierre
Saint-Martin [1.760 m NN]. Da ich aber möglichst weit westlich die Pyrenäen überqueren wollte, fuhr ich über Uztárroz auch noch ins
obere Valle de Salazar, das zum Pass Puerto de Larrau [1.573 m NN] nach Frankreich führt. Hier oben blühte gerade der Ginster in
herrlichem Gelb. Zwischen den Ginstergebüschen lagen moorige Flächen und Almen in verschiedenen Grüntönen - es war ein
herrliches Farbenspiel. Ein paar Ziegen- und Schafherden verbrachten wohl den Sommer in völliger Freiheit ohne Hirten.
Durch Westfrankreich nach Karlsruhe
Nach kurzem Gefälle ging es erneut ein Stück aufwärts zum Pass Col d'Erroymendi [1.362 m NN], um dann sehr steil in Kurven und
Serpentinen hinunter nach Larrau [636 m NN] zu gelangen (726 Höhenmeter auf 7 km). Der weitere Weg war reines
"Kilometerfressen"; erst bei Dunkelheit erreichte ich die Hafenstadt Bayonne an der Mündung des Flusses Adour in den Golfe de
Gascogne, die ich aber nur als Schlaf-Zwischenstation nutzte. Tagespensum: 217 km.
Den nächsten Tag ging ich erst mal geruhsam an, indem ich zu einem Punkt am Meer fuhr, den ich von früheren Reisen schon kannte:
Plage des Casernes, 25 km nördlich von Bayonne. Entgegen des Namens gibt es hier kein Militär, sondern einen winzigen Parkplatz,
der zu dieser Jahreszeit angefahren werden darf und direkt hinter den Dünen liegt. So sind es nur 100 - 200 m bis zum Wasser. Der
Wind war recht stark und die Brandung ziemlich hoch - leider zum Baden zu kalt (jedenfalls für mich). So genoss ich den Anblick des
faszinierenden Atlantischen Ozeans, rief auch noch Regine auf Arbeit an - direkt vom Strand! Zurück am Parkplatz, unterhielt ich mich
beim Kaffee noch mit 2 jüngeren Männern, die ebenfalls mit - selbstgebautem - Wohnmobil unterwegs waren.
Der Rest des Tages bestand aus Fahren, Fahren, Fahren... Um dem immensen LKW-Verkehr auf den Hauptstraßen zu entkommen,
suchte ich mir weniger befahrene Nebenstraßen aus, was aber durch ständiges Kartenlesen die Fahrt doch ziemlich verlangsamt.
Über Bordeaux, wo ich absichtlich durch die Innenstadt fuhr, um etwas Abwechslung zu bekommen, Jonzac, Cognac, Matha und
Aulnay erreichte ich am Abend Melle, das Zentrum der Poitou-Esel-Zucht. Dabei handelt es sich um die größte Eselsrasse der Welt;
leider konnte ich unterwegs keinen einzigen entdecken. Wahrscheinlich muss man hier längere Zeit zubringen, was ich sowieso mal
vorhabe. Momentan jedenfalls habe ich nur ein Ziel: nach Hause. Heute gefahren: 402 km.
Am Morgen ging es in aller Frühe weiter. Über Lezay, Couhé, Gençay, Chauvigny, Loches, Montrichard, Chaumont, Herbault,
Oucques und Châteaudun erreichte ich bei Regenwetter Chartres mit seiner legendären Cathédrale de Nôtre-Dame, die ich unbedingt
als Zwischenziel sehen wollte:
"Zauberhafte Kathedrale in der weiten fruchtbaren Ebene der Beauce, die ihre spitzen Türme unvergleichlich über die Dächer des alten
Chartres in den Himmel reckt. Sie ist berühmt für ihre Architektur, ihre Statuen und ihre Glasfenster. Sie zieht jedes Jahr ca. 3 Millionen
Touristen an, dies "Akropolis von Frankreich", wie Rodin die Hochebene betitelte, in der sich das Wunder aus Stein erhebt. "Es ist in
Chartres", schreibt Emile Male, "wo der enzyklopädische Charakter der mittelalterlichen Kunst am deutlichsten zum Ausdruck kommt." Die
Kathedrale ist der sichtbar gewordene Gedanke des Mittelalters selbst: Es fehlt hier nichts wirklich Wesentliches. Ihre tausend Figuren, gemalt
oder in Stein gehauen, bilden ein in Europa einzigartiges Ensemble." [aus: Knaurs Kulturführer "Frankreich", 1979]
Direkt neben diesem Weltwunder fand ich sogar einen Parkplatz - ein weiteres Wunder. Das überschwängliche Lob all der Reiseführer
war angebracht. Die Kathedrale ist wirklich imposant mit ihren zwei verschiedenen Türmen und den herrlichen Rosetten. Das Innere
erschlägt einem schier und wartet mit dem dritten Wunder des Tages auf: nach den Erfahrungen in Spanien hatte ich mich schon auf
"Heimlichfilmen" eingestellt - aber es war gar nicht verboten! So konnte ich das Bauwerk erkunden und interessante Teile ganz ohne
Stress auch ablichten. Trotz eigener Dokumentation erstand ich auch noch etliche Kauf-Dias, da man es so nicht hinbekommt; die
Angst vieler Einrichtungen vor Hobbyfotografen, die keine Bilder mehr kaufen würden, falls man sie selbst machen kann, ist bei gutem
Angebot unverständlich - man müsste sich aber etwas mehr anstrengen, denn manche der angebotenen Bilder konnte man wirklich
nicht anschauen!!
Nach der Besichtigung der Kathedrale fand ich zunächst mit dem Bus kaum noch eine Ausfahrt aus der Innenstadt, war letzlich aber
doch erfolgreich. Das nächste Zwischenziel war die Région Parisienne; über kleine Nebensträßchen ging es weiter Richtung
Rambouillet, in dessen Nähe (bei Ecrosnes) ich Siesta hielt, um in der Nacht über Versailles, Saint-Germain-en-Laye und Maisons-
Lafitte nach Sartrouville zu gelangen, wo ich nach den heutigen 465 km übernachtete und den ganzen nächsten Tag bei alten
Freunden verbrachte.
Tags darauf fuhr ich nach Paris hinein, um noch ein paar Leute zu besuchen und den beiden größten asiatischen Supermärkten von
Paris und Europa(?) - Paris Store und Tang Frères - einen längeren Besuch abzustatten. Da ich so früh dran war, ging alles ganz glatt
ohne große Warterei und so konnte ich noch am Vormittag die Heimreise antreten.
Über Noisiel, Coulommiers, Sézanne, Vitry-le-François, Commercy, Pont-à-Mousson, Saint-Avold und Saarlouis setzte ich meine
Reise fort. nach zwei Tagen Zwischenstopp bei verwandten im Saarland machte ich mich schließlich endgültig auf den Heimweg und
traf am Abend in Rüppurr ein.zum Anfang zurück
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