© Familie Werle 1999 - 2015 Made with MAGIX Über Baden lacht die Schwarze Sonne.  Es war das Jahrhundertereignis schlechthin, vor allem, weil es für viele die einzige totale Sonnenfinsternis im ganzen Leben sein würde. Tage- ja sogar wochenlang vorher wurde davon berichtet und Wetterprognosen für Mittwoch, den 11. August 1999, aufgestellt. Eine Woche vor dem Ereignis hatten wir das herrlichste Sommerwetter. Bertram und ich waren am 10. August mit dem Zug von Dresden nach Karlsruhe gefahren, um das Naturereignis nicht zu verpassen, denn in Dresden würde es nur eine partielle Sonnen- finsternis geben, da die Stadt außerhalb des 100 km breiten Kernschattens liegt – Karlsruhe dagegen mittendrin. Und nun – am Tag des Ereignisses – sah es sehr nach Regen aus: dicke Schlechtwetterwolken hatten sich aufgetürmt; nur ab und zu zeigte sich eine Wolkenlücke. Wir fuhren mit unseren Freunden Michael, Annette und deren Kindern auf die Salmenwiesen, die Felder hinter der Langen Straße. Dort hatten sich viele Schaulustige angesammelt: Karlsruher, Darmstädter, Wiesbadener, Genfer... und ein Auto mit vier jungen Italienern, die extra wegen der Finsternis nach Deutschland gekommen waren. Michael baute sein großes Teleskop und einen Fotoapparat auf, Bertram und ich Video und Foto. Die notwendigen Spezial-Sonnenfilter bauten wir uns ein paar Tage vorher selbst aus Baader- Sonnenfilterfolie. Die Sonnenschutzbrillen waren letztendlich bei Optikern und anderswo ausverkauft. Um 11.12’12’’ Uhr war es soweit, der Kontakt zwischen Mond und Sonne hatte begonnen und der Mond einen Teil des leuchtenden Sonnenballes weggefressen. Innerhalb der nächsten eineinhalb Stunden schob er sich immer weiter vor die Sonne. Teilweise verdeckten dicke Wolken das Schauspiel. Über dem Schwarzwald stauten sich die Regenwolken und wir befürchteten, dass im entscheidenden Moment nichts zu erkennen ist. Doch Michael war optimistisch und hatte ein "sonniges" Gefühl, das ihn auch nicht im Stich ließ. Einige Minuten bevor der Kernschatten über uns sein würde, wurde es kälter und die Dämmerung brach langsam herein. Wenige Sekunden vor der Totalität verfinsterte es sich schlagartig (als würde es im Zeitraffer Nacht werden), die Vögel hörten auf zu singen, es wurde windstill und die Landschaft sah gespenstisch aus: ähnlich einer Vollmondnacht, aber auch wieder nicht – irgendwie anders, aber schön. Wenn man es nicht selbst erlebt hat, kann man es sich wahrscheinlich auch nicht vorstellen. Da die Temperatur um einige Grad sank, rissen die Wolken etwas mehr auf und wir konnten das Ereignis über 2 Minuten und 8 Sekunden von genau 12.31’39’’ Uhr bis 12.33’47’’ Uhr wunderbar ohne Störungen verfolgen. Das letzte Sonnenlicht bildete einen dunkelroten Rand um den Mond. Durch dessen Unebenheiten waren die Protuberanzen als hellrote Flecken deutlich zu sehen. Als eine kleine Wolkenlücke den ungetrübten Blick auf die Schwarze Sonne freigab, entfaltete sich die Korona zu einem herrlichen wehenden Kranz um den Mond. Die Stimmung war einfach wunderbar: die Menschen jubelten und irgendwo in Rüppurr gab es sogar ein Feuerwerk. Als der Mond die Sonne wieder freigab – und die Welt nicht untergegangen war -, wurde es sehr schnell wieder hell, so als würde jemand einen überdimensional großen Vorhang aufziehen. Die Temperatur nahm rasch zu und bald war auch die Natur wieder im normalen Rhythmus. Wir verfolgten nun den Abzug des Mondes, was wieder eineinhalb Stunden dauern sollte. Leider zog der Himmel jetzt so zu, dass wir lediglich eine halbe Stunde davon genießen konnten. Ab und zu schauten wir durch Michaels Teleskop, das Sonne und Mond seitenverkehrt darstellte. Hier konnten wir die Sonnenflecken deutlich sehen. Ich hielt sie im ersten Moment für Staubkörner oder Dreckfusseln auf der Linse. Und als Michael mir noch sagte, dass dieser Sonnenfleck, die Dreckfussel, die Größe der Erde hat, konnte ich mir nur langsam ausmalen, wie gigantisch groß die Sonne eigentlich ist. Ich denke, das übersteigt fast die Vorstellungskraft eines normalen Menschen. Als eine dicke Regenwolke auf uns zukam und uns klar wurde, dass es keine Aussicht auf ein freies Himmelsplätzchen mehr gab, packten wir unsere Ausrüstungen zusammen und kamen gerade rechtzeitig vor dem Regen nach Hause. Später erfuhren wir, dass nur Karlsruhe, Baden-Baden, der Kraichgau und der Chiemgau in den Genuss des Jahrhundertereignisses kamen. Die selbsternannte „Sonnenhauptstadt" Stuttgart, München und das Saarland lagen unter dicken Regenwolken und konnten die Sonnenfinsternis lediglich über Monitore verfolgen. Copyright © 1999 Regine Werle. Alle Rechte vorbehalten   © 1999; Bertram Werle: Auf Beobachtungsposten mit Teleskop und Kamera © 1999; Bertram Werle: Noch ein paar Minuten bis zur Totalität © 1999; Bertram Werle: Totalität von 12.31’39’’ Uhr bis 12.33’47’’ Uhr © 1999; Bertram Werle: Austritt aus der Totalität Auf Beobachtungsposten ca. 12.15 Uhr: Kurz vor dem Eintritt ca. 12.32 Uhr: Während der Totalität ca. 12.40 Uhr: Kurz nach dem Austritt